BGH stärkt Position von Chefärzten: kein Liquidationsrecht für Honorarärzte!

von RA und FA für ArbeitsR und MedizinR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover, www.armedis.de

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich nochmals mit der Frage beschäftigt, ob Honorarärzte wahlärztliche Leistungen abrechnen dürfen oder nicht. Der BGH hat dabei auch Ausführungen dazu gemacht, welche Behandlungsqualität Patienten bei Abschluss einer Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erwarten dürfen (Urteil vom 19.01.2019, Az. III ZR 325/17). Die Ausführungen des BGH zur Behandlungsqualität dürften auch Auswirkungen darauf haben, ob und inwieweit niedergelassenen Ärzten, wenn sie im Krankenhaus angestellt werden, neben den dort hauptberuflich tätigen Chefärzten das Liquidationsrecht gewährt werden kann.

Sachverhalt

Eine private Krankenversicherung klagte gegen einen Neurochirurgen auf Erstattung eines Honorars für wahlärztliche Leistungen in Höhe von 1.296,39 Euro. Die Summe hatte die Versicherung gegenüber der bei ihr versicherten Wahlleistungspatientin geleistet.

Der beklagte Arzt, der eine Praxis für Neurochirurgie betreibt, war im Jahre 2013 als Honorararzt in einem Krankenhaus in Nürnberg tätig. Er war weder als Krankenhausarzt angestellt noch verbeamtet.

Das Krankenhaus in Nürnberg und die bei der privaten Krankenversicherung versicherte Wahlleistungspatientin (Versicherungsnehmerin) schlossen am 13.05.2013 eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen. Darin war der beklagte Neurochirurg handschriftlich als Wahlarzt eingetragen und als Teil der externen Wahlarztkette angegeben worden. Die Wahlleistungsvereinbarung sah diesbezüglich folgenden Punkte vor:

Inhalt der Wahlleistungsvereinbarung

„Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Kardiologische Gemeinschaftspraxis Dres.[…], das Radiologisch-Nuklearmedizinische Zentrum und die Strahlentherapiepraxis Dr. […] selbstständige Apparategemeinschaften und Gemeinschaftspraxen in den Räumen bzw. auf dem Gelände des Krankenhauses [...] betreiben. Dennoch handelt es sich um örtlich getrennte, wirtschaftlich selbstständige Einrichtungen mit eigenen Gerätschaften und eigenem Personal. Die Praxen bzw. Apparategemeinschaften sind kein Bestandteil unseres Krankenhauses. Gleiches gilt für sonstige fremde Einrichtungen außerhalb des […] Krankenhauses, wie z. B. auch die Neurochirurgiepraxis Dr. […] (Beklagter), Laborgemeinschaften, andere Kliniken, Fachärzte u. a.“

 

Nachdem der Neurochirurg die Patientin stationär wahlärztlich behandelt hatte, hatte er ihr gegenüber den streitigen Rechnungsbetrag eingefordert, der von der Versicherung gegenüber der Patientin gegen Abtretung etwaiger Rückforderungsansprüche gegen den Arzt zunächst erstattet wurde.

In der Folge verklagte die private Krankenversicherung den Arzt auf Rückerstattung des gesamten Wahlarzthonorars vor dem Amtsgericht Nürnberg.

Die Klage hatte Erfolg. Die dagegen eingelegte Berufung des Neurochirurgen hat das Landgericht Nürnberg-Fürth abgewiesen, gleichzeitig aber die Revision zum BGH zugelassen, weil dieser in seiner Entscheidung vom 16.10.2014 die Frage offengelassen hatte, ob Honorarärzte wahlärztliche Leistungen berechnen können, wenn sie Teil der internen oder der externen Wahlarztkette sind (Az. III ZR 85/14, Details im RWF 12/2014, Seite 16). Diese offene Frage hat der BGH nun geklärt.

Entscheidungsgründe

Der BGH hat in seinem aktuellen Urteil vom 10.01.2019 die Rechtsauffassung der Instanzgerichte, die der Klage stattgegeben bzw. die Berufung des Beklagten zurückgewiesen hatten, bestätigt.

Als zwingende preisrechtliche Schutzvorschrift zugunsten des Patienten stehe § 17 Abs. 3 S. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) nicht nur einer Honorarvereinbarung entgegen, die der Honorararzt unmittelbar mit dem Patienten abschließt. Sie verbiete auch, den Honorararzt in der Wahlleistungsvereinbarung als „originären Wahlarzt“ zu benennen. Derartige Vereinbarungen seien gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig.

Merke

Honorarärzte, die im Krankenhaus freiberuflich tätig sind, sind somit in jedem Fall von der Abrechnung wahlärztlicher Leistungen ausgeschlossen und damit in dieser Hinsicht keine Konkurrenz für Chefärzte, denen der Krankenhausträger das Liquidationsrecht gewährt hat oder die eine Beteiligungsvergütung an den Einnahmen aus wahlärztlichen Leistungen bekommen.

 

Ohne den Abschluss eines Anstellungsvertrags können diese Honorarärzte nicht in die Wahlleistungsvereinbarung des Krankenhauses aufgenommen werden.

Bereits mit o. g. Urteil vom 16.10.2014 hatte der BGH festgestellt, dass auch Honorarvereinbarungen zwischen Honorarärzten und Patienten nichtig sind, die die Ärzte berechtigen, operative Leistungen in einem Krankenhaus zu erbringen und diese gegenüber dem Patienten nach Maßgabe der GOÄ abzurechnen.

Merke

Honorarärzte sind damit in allen denkbaren Konstellationen von der Abrechnung stationärer Behandlungsleistungen gegenüber Privatpatienten im Allgemeinen und wahlärztlichen Leistungen im Besonderen ausgeschlossen.

 

Chefarztstandard vs. Facharztstandard

Das Urteil enthält auch Ausführungen zum notwendigen Behandlungsstandard, den das Krankenhaus vorhalten muss, um ärztliche Leistungen entsprechend abrechnen zu können. Diese Ausführungen betreffen

  • allgemeine Krankenhausleistungen sowie
  • wahlärztliche Leistungen.

Die entsprechenden Ausführungen des BGH lassen auch Rückschlüsse darauf zu, ob und inwieweit niedergelassenen Ärzten, die im Krankenhaus angestellt sind, das Liquidationsrecht gewährt werden kann.

Denn laut BGH vereinbare der Patient mit dem Krankenhausträger wahlärztliche Leistungen im Vertrauen auf die besondere Erfahrung und herausgehobene Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes, die auch darin zum Ausdruck komme, dass der Arzt in dem Krankenhaus eine leitende Position innehabe („Chefarztbehandlung“). Dem Patienten gehe es somit in erster Linie darum, sich über den Facharztstandard hinaus, der bei der Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen ohnehin geschuldet ist, die Leistung hochqualifizierter Spezialisten des Krankenhauses gegen ein zusätzliches Entgelt hinzuzukaufen. Diese, ein zusätzliches Entgelt rechtfertigende, herausgehobene ärztliche Qualifikation (Chefarztstandard in Abgrenzung zum Facharztstandard bei allgemeinen Krankenhausleistungen) könne nicht bei allen Honorarärzten von vornherein angenommen werden.

Die Berechtigung eines gesonderten Entgelts für wahlärztliche Leistungen würde insofern grundsätzlich infrage gestellt, wenn auch derjenige Honorararzt, der „nur“ den bei allgemeinen Krankenhausleistungen geforderten Facharztstandard oder gar weniger biete, seine Leistungen als Wahlarzt liquidieren könne.

Merke

Die Ausführungen des BGH lassen sich ohne Weiteres auf die Anstellung von niedergelassenen Ärzten im Krankenhaus übertragen. Auch hier sollte an die Gewährung des Liquidationsrechts nur gedacht werden, wenn die betreffenden niedergelassenen Ärzte eine herausgehobene Behandlungsqualität anbieten können und ein Liquidationsrecht nur für diese Behandlungsbereiche gewährt werden. Geschieht dies nicht, setzen sich alle Beteiligten dem Verdacht aus, dass die Entscheidung des Krankenhausträgers, den niedergelassenen Arzt nach seiner Anstellung das Liquidationsrecht zu gewähren, nur zu dem Zweck erfolgt, diesen Arzt als Zuweiser an das Krankenhaus zu binden, was den Verdacht eines Verstoßes gegen das Antikorruptionsgesetz nach sich ziehen würde.

 

Fazit

Nunmehr ist endgültig geklärt, dass niedergelassene Ärzte im Krankenhaus nicht als Wahlärzte eingesetzt werden können, sofern sie nicht bereit sind, sich dort anstellen zu lassen. Freiberufliche Tätigkeit von niedergelassenen Ärzten ist damit im Krankenhaus nur in der Form möglich, dass diese Ärzte allgemeine Krankenhausleistungen für den Krankenhausträger erbringen und diese Leistungen dann über bspw. die DRG-Fallpauschalen vergütet werden. Die Entscheidung des BGH vom 10.01.2019 stärkt insgesamt die Rechtsposition der Chefärzte in bundesdeutschen Krankenhäusern.