BGH: Arzt hat keinen Anspruch auf Herausgabe von Personalien – auch wenn der Nutzer lügt!

von Rechtsanwalt Nico Gottwald, RATAJCZAK & PARTNER Rechtsanwälte, Sindelfingen, www.rpmed.de 

Ein Arzt hat keinen Anspruch auf Herausgabe der Personalien des Nutzers, der eine Bewertung über ihn verfasst hat. Das gilt selbst dann, wenn die Bewertung unwahr ist. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 1. Juli 2014 (Az. VI ZR 345/13). Ganz wehrlos sind betroffene Ärzte dennoch nicht gegen anonyme falsche Behauptungen auf Bewertungsportalen.

Der Fall 

Der Kläger, ein Arzt aus Schwäbisch Gmünd, entdeckte auf der Internetseite www.sanego.de im November 2011 eine Bewertung, in der über ihn verschiedene unwahre Behauptungen aufgestellt wurden. Im Juni 2012 wurden weitere, den Arzt betreffende Bewertungen mit unwahren Tatsachenbehauptungen veröffentlicht – so unter anderem, er habe Patientenakten in den Behandlungsräumen in Wäschekörben gelagert und die Patienten hätten drei Stunden im Wartezimmer ausharren müssen. Auf das Verlangen des Arztes hin wurden die Bewertungen von der Unternehmergesellschaft Sanego, dem Betreiber des Ärztebewertungsportals, gelöscht. Am 4. Juli 2012 erschien jedoch eine neue Bewertung desselben Nutzers mit den von dem Arzt bereits beanstandeten Inhalten.

Um direkt gegen den Nutzer vorgehen zu können, verklagte der Arzt Sanego auf Unterlassung der Verbreitung dieser Bewertungen und auf Herausgabe der Personalien bzw. Anmeldedaten des Nutzers. Die Klage begründete er mit einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts.

Vorinstanzen sahen Auskunftsanspruch des Arztes 

Die Vorinstanzen, das Landgericht und das Oberlandesgericht Stuttgart, stellten sich auf die Seite des Arztes und verurteilten Sanego zum einen dazu, die Verbreitung der beanstandeten Behauptungen zu unterlassen, und zum anderen dazu, dem Arzt die Anmeldedaten des Verfassers der Bewertung mitzuteilen. § 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes (TMG), der den Diensteanbieter verpflichtet, die Nutzung von Telediensten anonym zu ermöglichen, schließe den allgemeinen, zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus.

BGH hob Urteile der Vorinstanzen auf 

Der BGH gab jedoch der Revision des Betreibers Sanego statt und wies den Auskunftsanspruch des Arztes zurück. Der BGH billigte dem Arzt lediglich den Unterlassungsanspruch zu. Die Richter berufen sich in der Pressemitteilung zum Urteil auf § 12 Abs. 2 TMG. Danach könne der Betreiber im konkreten Fall ohne Einwilligung des Nutzers dessen Daten an den Betroffenen nur dann herausgeben, wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorhanden sei. Für eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch einen Nutzer habe der Gesetzgeber eine solche Ermächtigungsgrundlage bisher aber nicht vorgesehen.

Wie können sich Ärzte gegen unwahre Bewertungen schützen? 

Trotz des BGH-Urteils stehen die Ärzte anonymen und insbesondere unwahren Bewertungen nicht schutzlos gegenüber. Reine Meinungsäußerungen und Werturteile muss der Arzt hinnehmen – hier greift der Schutz der Meinungsfreiheit. Gegen unwahre Tatsachenbehauptungen kann und sollte er sich jedoch zur Wehr setzen.

Zunächst sollte der betroffene Arzt den Betreiber des Bewertungsportals darauf hinweisen, dass die Bewertung unzutreffende Tatsachenbehauptungen enthält. Der Betreiber ist dann verpflichtet, den jeweiligen Nutzer zu kontaktieren und sich die Behauptungen erläutern bzw. sogar belegen zu lassen. Gelingt dies dem Nutzer nicht, muss der Teil der Bewertung, der die unwahre Tatsachenbehauptung enthält, gelöscht werden.

Praxishinweis

Erfahrungsgemäß nehmen die Betreiber der bekannten Arztbewertungsportale diese Pflicht inzwischen sehr ernst. Sobald sich ein betroffener Arzt meldet und auf eine unwahre Bewertung hinweist, wird die Bewertung vorübergehend gelöscht und erst wieder aktiviert, wenn der Verfasser der Bewertung deren Wahrheitsgehalt belegt.

 

Will der Arzt dennoch an die Daten des Verfassers der Bewertung gelangen, um direkt gegen diesen vorzugehen, kann er Strafanzeige gegen Unbekannt wegen übler Nachrede bzw. Verleumdung stellen. § 14 Abs. 2 TMG erlaubt es dem Betreiber, auf Anordnung der Strafverfolgungsbehörden Auskunft über Anmeldedaten eines Nutzers zu erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist. Die Strafverfolgungsbehörden würden diese Daten zwar nicht direkt an den Arzt herausgeben; ein beauftragter Rechtsanwalt könnte diese Daten jedoch im Wege der nur ihm erlaubten Akteneinsicht in Erfahrung bringen.

Fazit

Jeder Arzt sollte sich daher weiterhin gegen unwahre Bewertungen zur Wehr setzen. Der Einfluss der Arztbewertungsportale nimmt immer weiter zu und aktuelle Umfragen beweisen, dass immer mehr Patienten Ihren Arzt über ein solches Bewertungsportal auswählen. Eine negative, unwahre Bewertung kann sich daher schnell geschäftsschädigend auswirken.