Beschwerden als Möglichkeit für Verbesserungen nutzen!

Praktisch jeder Arzt einer Klinik wird hin und wieder mit Beschwerden konfrontiert. Diese können von Patienten, aber auch von Zuweisern oder anderen Personen stammen. Der Umgang mit den Beschwerden sollte systematisiert werden. Zum einen kann so unter Umständen der Schaden für die Abteilung begrenzt werden, zum anderen können die Hinweise wichtige Impulse für die Weiterentwicklung von inneren Abläufen geben.

Beschwerdemanagement – wer ist zuständig?

Die Etablierung eines systematischen Beschwerdemanagements muss auf Ebene des Krankenhauses erfolgen. Es kann nicht Aufgabe des Chefarztes oder von nachgeordneten Ärzten sein, das Beschwerdemanagement der Abteilung selbst zu organisieren und zu verwalten. Wichtig ist aber, dass die Ärzte einer Abteilung über die Ergebnisse und auch wichtige Einzelbeschwerden kontinuierlich unterrichtet werden.

In der Abarbeitung einer aufgetretenen Kritik können zwei wichtige Prozessschritte unterschieden werden, zum einen die direkte Bearbeitung der Beschwerde und zum anderen die Aus- und Bewertung der Beschwerden.

Phase 1: Bearbeitung der Beschwerde

In der ersten Phase geht es primär darum, dem Beschwerdeführer gerecht zu werden. Wichtig ist es, dem Patienten oder Kollegen das Gefühl zu geben, dass er ernst genommen wird. Das bedeutet nicht, jedem Beschwerdeführer automatisch Recht zu geben. Es beinhaltet aber, ihm die Zusage zu geben, dass er nach Abklärung des Sachverhaltes eine Antwort erwarten kann. Bei schriftlichen Beschwerden kann die „Eingangsbestätigung“ auch in schriftlicher Form erfolgen. In dieser frühen Phase darf keine Stellungnahme zum Sachverhalt abgegeben werden. Mitarbeiter des Krankenhauses müssen entsprechend geschult werden.

Besonders bei Patienten, die glauben, Ihnen sei ein Unrecht geschehen, ist es wichtig, dass auch ihre Kritik ernst genommen wird. Eine frühzeitige Kontaktaufnahme durch den Klinikleiter hilft oft, weitergehende Schritte des Kranken wie Kontaktaufnahme zu Kostenträgern oder sogar juristische Verfahren zu vermeiden. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, dass Chefärzte und nachgeordnete Ärzte über jede gravierende Patientenklage sehr zeitnah informiert werden. Dasselbe gilt für Beschwerden von Kollegen, insbesondere Zuweisern.

Praxishinweise

Wichtig ist, dass betroffene Ärzte über die oben aufgeführten Fälle wirklich zuverlässig informiert werden. Es ist nicht zu tolerieren, wenn Vorwürfe von Patienten oder Kollegen, die sich auf die medizinische Betreuung beziehen, abschließend von der Krankenhausleitung oder einer anderen Stelle beantwortet werden. Das muss die Aufgabe des Klinikleiters oder seines Vertreters bleiben.

Extrem wichtig: Die Zusage auf eine Antwort ist einzuhalten. Die Abläufe in der Klinik müssen so geregelt werden, dass tatsächlich jeder, der Kritik in entsprechender Form geäußert hat, auch eine Antwort erhält. Ein nicht eingehaltenes Versprechen wird von fast allen Menschen extrem negativ bewertet und hat oft eine intensive „Mundpropaganda“ zulasten des Krankenhauses zur Folge. Insbesondere in Kliniken mit einem hohen Patientenaufkommen und kurzen Aufenthaltszeiten wie der Radiologie stellt der korrekte Umgang mit Beschwerden oft die „letzte Chance“ für die Korrektur des Patienteneindrucks dar.

Aus den nicht-medizinischen Dienstleitungsbranchen ist bekannt, dass ein Kunde, dessen Beschwerde korrekt abgearbeitet wird, in etwa 95 Prozent der Fälle dem Unternehmen erhalten bleibt. Der hiermit verbundene Aufwand ist deutlich geringer als die Erschließung neuer Kundengruppen. Diese Beobachtungen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für Patienten und Vertragsärzte gültig.

Es ist auch festgestellt worden, dass die Bindung von Kunden zu ihrem Dienstleister durch ein erfolgreiches Beschwerdeverfahren deutlich gefestigt wird. Im Klartext heißt dies, dass ein Auftraggeber, dessen berechtigte Kritik bewertet und gegebenenfalls berücksichtigt wurde, anschließend stärker mit dem bisherigen Lieferanten verbunden ist als vorher. Aus diesen Gründen ist es sicherlich lohnenswert, einige Mühe in die Bearbeitung von Kundenkritiken zu investieren.

Phase 2: Aus- und Bewertung von Beschwerden

Die zweite Phase der Bearbeitung von Beschwerden – die Aus- und Bewertung der Beschwerden – sollte durch die in Ihrem Hause hierfür zuständige Stelle vorbereitet werden. Es muss eine Statistik erstellt werden, aus der die Zahlen der gruppierten Beschwerdegründe hervorgehen. Wichtige Einzelbeschwerden müssen zusätzlich separat aufgeführt werden.

Eine solche Aufstellung sollte in festen Zeitabständen der Abteilung zur Verfügung stehen. Hier reichen für klassische bettenführende Abteilungen Intervalle von zwölf Monaten, in der diagnostischen Radiologie sollten die Auswertungen in kürzeren Intervallen erfolgen.

Sie sollte natürlich in gestraffter Form nur die für diesen Bereich relevanten Ereignisse abbilden. Die Gesamtstatistik des Krankenhauses kann zwar sehr interessant sein, eignet sich aber kaum zur Identifizierung konkreter Verbesserungspotenziale in der radiologischen Abteilung.

Bei den Auswertungen muss man sich darüber im Klaren sein, dass sie nur die Spitze eines Eisberges bilden: Im Allgemeinen wird hier nur ein Bruchteil der tatsächlich vorhandenen Unzufriedenheit erfasst.

Aus der Auswertung lassen sich oft Häufungen von Ursachen identifizieren, die dann abgestellt werden können. Die besten Ergebnisse bei der Bewertung der Beschwerdestatistik haben Gruppen, in denen die „vor Ort“ Tätigen mitarbeiten. Die Statistik kann durch die Gruppenmitglieder, die ja den Sachverhalt im Allgemeinen sehr gut kennen, schnell und mit geringem Aufwand beurteilt werden. Keinesfalls müssen stundenlange Sitzungen anberaumt werden.

Die Probleme in der praktischen Umsetzung

Leider gestaltet sich die praktische Umsetzung des Beschwerdemanagements in fast jeder Klinik schwer. Das größte Problem ist, die Partner zur Artikulation und die Mitarbeiter zur Dokumentation der Kritiken zu animieren. Hierfür sind mehrere Gründe verantwortlich:

1. Beschwerden werden nicht gemeldet

Viele Kollegen vermeiden die Meldung, da sie negative Konsequenzen fürchten. Nur eine offene und Fehlern gegenüber positiv eingestellte Unternehmenskultur kann dieses Problem lösen.

2. Kein aktives Einfordern von kritischen Äußerungen

Patienten haben oft Hemmungen, ihre Probleme zu äußern, und Vertragsärzte machen sich manchmal nicht die Mühe, den vorhandenen Ärger zu artikulieren. Um zu vermeiden, dass die Patienten verloren gehen oder Zuweisungen von Kollegen ausbleiben, muss die Klinik Kritiken aktiv einfordern.

3. Kleinere Beschwerden werden nicht berücksichtigt

Kleinigkeiten werden oft nicht erfasst, weil die Mitarbeiter das Problem für gelöst halten, wenn der akute Anlass abgestellt wurde, oder weil ihnen die Zeit für eine Meldung fehlt. Eine einzelne Beschwerde über kaltes Essen ist auch nicht von großer Bedeutung. Wenn aber gehäuft solche Probleme auftauchen, sollte reagiert werden. Das ist aber nur möglich, wenn die Probleme gemeldet werden.

Nur ein einfacher, unbürokratischer Weg zur Beschwerdemeldung kann helfen, dieses Problem zu lösen. Der große Erfassungsbogen muss wirklich wichtigen Vorgängen vor­behalten bleiben. Kleinigkeiten können auch gut in einer schnell zugänglichen EDV-Maske aufgenommen werden.

Fazit

Der korrekte Umgang mit Beschwerden erfordert Mühe. Es ist in der heutigen Zeit aber unerlässlich, auf die Kritik von Patienten, Zuweisern und anderen Partnern kon­struktiv einzugehen. Schon die zunehmende Konkurrenzsituation unter den Leistungserbringern zwingt dazu.

Es sollten aber auch die Chancen genutzt werden, die jeder einzelnen Kritik innewohnen. Durch Beobachtung der eingehenden Beschwerden können wichtige Hinweise für die Weiterentwicklung der jeweiligen Abteilung gewonnen werden.