Bei PRT auch über das Risiko der Querschnittslähmung aufklären

„Contrast Forum“ berichtete in der Ausgabe Nr. 3/2010 über die GOÄ-Abrechnung bei PRT. Nicht die Abrechnung, sondern den Umfang der Aufklärungspflicht betreffend urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) am 6. Juli 2010 (Az: VI ZR 198/09), dass bei PRT auch über das Risiko einer Querschnittslähmung aufzuklären sei. Radiologen, die PRT durchführen, sind also gut beraten, ihre ­Patienten vor Durchführung dieser Eingriffe auf das Risiko einer Querschnittslähmung hinzuweisen. Der folgende Beitrag fasst das wegweisende BGH-Urteil zusammen.

Sachverhalt

Nach erfolglosen konservativen Behandlungen stellte sich der Patient im August 2001 bei einem Orthopäden vor, der eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule veranlasste. Die Untersuchung ergab Anzeichen für einen Verschleiß im Bereich der Wirbelsäule. Zudem wurden eine Protrusion (Vorwölbung) mit Wurzelbedrängung und ein konstitutionell grenzwertig enger Spinalkanal diagnostiziert. Der Arzt empfahl die Durchführung einer PRT. In der unterzeichneten Einverständniserklärung hieß es unter anderem:

„Als Komplikation ist bei einigen wenigen Patienten eine längerfristige Lähmung eingetreten, die sich jedoch wieder vollständig rückbildete.“

Sechs Tage später wurde die PRT vom Arzt durchgeführt. Der Patient hatte unter diesem Datum auch eine Einverständniserklärung zur Periduralanästhesie oder „Stand By“ bei „Periradikulärer Therapie (PRT)“ unterzeichnet. In dieser Einverständniserklärung heißt es unter anderem:

„Lähmungen (auch Querschnittslähmungen) nach Blutungen, Entzündungen oder direkten Nervenverletzungen sind extrem selten.“

Bei der Durchführung der PRT kam es zu Komplikationen. Es traten eine akute Tetraplegie und eine starke Atemnot ein. Die Tetraplegie blieb in der Folgezeit irreversibel, sodass der Patient schwerstbehindert und vollständig erwerbsunfähig blieb. Der Patient macht vor Gericht geltend, der Arzt habe seine Aufklärungspflicht verletzt, weil er nicht über das Risiko einer Querschnittslähmung aufgeklärt habe.

Oberlandesgericht verneinte zuvor einen Aufklärungsfehler

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg verneinte eine Aufklärungspflicht – die Tetraplegie als Folge einer PRT sei ein rein theoretisches Risiko gewesen, über das der Arzt nicht habe aufklären müssen. Denn zum Zeitpunkt des Eingriffs sei weltweit erst einmal in der amerikanischen Schmerztherapie-Zeitschrift „Pain“ über Querschnittslähmungen bei diagnostischer oder therapeutischer Wurzelinfiltration berichtet worden.

Der Arzt habe in den Prozessen zudem Fachliteratur zitiert, in der ein solches Risiko bei Durchführung einer PRT oder entsprechenden Maßnahmen nicht erwähnt sei. Er habe geltend gemacht, dass auch Kollegen im Jahr 2001 bei Durchführung einer PRT nicht über dieses Risiko aufgeklärt hätten. Erst ab 2002 sei auf die Gefahr einer Querschnitts-lähmung bei Durchführung einer PRT hingewiesen worden. Zwar habe der gerichtliche Sachverständige die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Querschnittslähmung im Jahr 2001 nicht um eine typische, aber um eine denkbare, wenn auch extrem seltene Komplikation handele, auf welche der Patient wegen der damit verbundenen enormen Tragweite aus medizinischer Sicht hätte hingewiesen werden müssen. Es habe sich dabei aber um eine theoretisch bestehende Möglichkeit des Auftretens einer Komplikation gehandelt, über die nicht habe aufgeklärt werden müssen.

BGH sieht Sachlage anders und gibt dem Patienten recht

Der Ansicht des OLG folgten die BGH-Richter nicht. Der Umstand, dass bei einer Behandlung wie der periradikulären Therapie in der ärzt­lichen Fachliteratur noch nicht über eine Querschnittslähmung berichtet wurde, reicht nicht aus, dieses Risiko als lediglich theoretisches Risiko einzustufen und eine Aufklärungspflicht zu verneinen. Das OLG habe die Ausführungen des Sachverständigen nicht genügend gewürdigt.

Bei medizinischen Fragen müsse der Richter mangels eigener Fachkenntnisse Unklarheiten bei Sachverständigen-Aussagen durch gezielte Befragung klären. Dies sei hier unterblieben. Der BGH wies daher das Verfahren an das OLG zurück. Dieses muss nun unter sachverständiger Beratung klären, ob aufgrund der anatomischen Gegebenheiten der Wirbelsäule bei einer PRT ebenso wie bei anderen wirbelsäulennahen Injektionen generell das Risiko einer Querschnittslähmung besteht und ob dies dem Orthopäden im Jahre 2001 bekannt sein musste.