Bei mangelhafter Verfahrensdokumentation droht erhebliche Steuerzuschätzung

von StB und Dipl.-Finanzwirt Alfred P. Röhrig, Bad Honnef, www.roehrig-kreutzer-partgmbb.de

Bereits seit dem 01.01.2015 ist ein Schreiben der Finanzverwaltung zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung/Digital (GoBD) in Kraft. Doch dieses tritt nun erst langsam in den Fokus der Praxis. Vermehrt liest und hört man nun von den Risiken, die mit einer zu entspannten Haltung gegenüber den Anforderungen der GoBD einhergehen. Deshalb sollten Praxisinhaber dringend ihre Steuerberater auf die folgenden Fragen ansprechen.

Das Problem

Die GoBD regeln auf 38 Seiten detailliert, wie Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung ihre tatsächlichen Abläufe und insbesondere den Umgang mit digitalen Systemen zu regeln haben, um insbesondere im Falle einer Betriebsprüfung keine großen Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung zu riskieren.

Ist eine Buchführung nicht GoBD konform oder werden elektronische Belege nicht unveränderbar gesichert oder liegt keine Verfahrensdokumentation vor, so drohen hier erhebliche Zuschätzungen durch den Betriebsprüfer.

Neu ist, dass solche „Sicherheitszuschläge“ nicht mehr nur die „üblichen Verdächtigen“ in den Augen von Betriebsprüfern, nämlich die sogenannten Barbetriebe treffen können, sondern selbst Dienstleistern, Handwerkern und Freiberuflern erhebliches Ungemach droht.

Kann die Praxis dem Betriebsprüfer keine (formell) ordnungsgemäße Buchführung vorlegen, kann dieser schätzen bzw. einen Sicherheitszuschlag von ein bis fünf Prozent der Netto-Tageskasseneinnahmen in nicht schwerwiegenden Fällen und sonst sogar zehn Prozent der steuerlichen Bemessungsgrundlage erheben.

EDV-Systeme in der Radiologie

In der Radiologie werden in der Regel zwar medizinische Verfahren und auch administrative Daten digital in Radiologieinformationssystemen (RIS) oder Picture Archiving and Communication System (PACS) abgebildet. Die Erlösrelevanten Abrechnungen werden danach automatisch anhand der dokumentierten Leistungsziffern erstellt.

Darüber hinaus ist eine Verfahrensdokumentation aber nötig für alle Rechnungen oder andere steuerrelevante Belege, z. B. für den Einkauf von Kontrastmitteln, Sprechstundenbedarf, empfangene elektronische Belege etc. Die GoBD betreffen außerdem Vor- und Nebensysteme (s. u.), soweit diese Prozesse nicht durch RIS erfasst und gesteuert werden.

Wie bisher: GoB-Analyse

Zunächst sollten die bestehenden Strukturen und alle EDV-Systeme hinsichtlich der klassischen GoB-Grundsätze überprüft werden. Also wie auch schon bisher auf Nachvollziehbarkeit, Nachprüfbarkeit, vollständige, geordnete und unveränderbare Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen achten!

Merke!

Gerade das Merkmal der Unveränderbarkeit ist hier von besonderer Bedeutung und erstreckt sich sowohl auf klassische Papiervorgänge als auch auf digitale Geschäftsvorfälle, wie beispielsweise Ein- und Ausgangsrechnungen. So müssen EDV-Systeme die Daten revisionssicher speichern. Nachträgliche Änderungen an Buchungen oder Belegen müssen dauerhaft ausgeschlossen sein.

 

Leider bieten derzeit nicht alle Buchführungssysteme die Gewähr der Unveränderbarkeit. Gerade kleinere Branchenlösungen für Ärzte oder Dienstleister etc. lassen oft noch nachträgliche Änderungen an einmal in den Prozess eingeführten Vorgängen zu. Vorsicht: Der Betriebsprüfer wird in solchen Fällen unterstellen, dass eine nachträgliche Änderungsmöglichkeit auch zur Verkürzung von Betriebseinnahmen genutzt wurde. Finanzgerichte sehen das oft ebenso.

Praxishinweis

Abzulehnen sind steuerrelevante Aufzeichnungen mit „Standardformaten“ wie Word, Excel und Access. Diese sind grundsätzlich nicht geeignet, die erforderliche Unveränderbarkeit sicherzustellen.

 

GoBD-Analyse der Haupt-, Vor- und Nebensysteme

Weiterhin müssen die von den GoBD betroffenen Haupt-, Vor- und Nebensysteme identifiziert werden.Dabei gelten für Vor- und Nebensysteme die gleichen Anforderungen wie für die Hauptsysteme, wenn sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Nach den GoBD zählen hierzu z. B. Finanzbuchführungssystem, Anlagenbuchhaltung, Lohnbuchhaltungssystem, Zahlungsverkehrssystem, elektronische Waagen, Materialwirtschaft, Fakturierung, Zeiterfassung, Archivsystem, Dokumenten-Management-System.

Praxishinweis

Zuletzt haben Betriebsprüfer sogar Röntgen- und Ultraschallgeräte als Vorsysteme im Sinne der GoBD eingestuft – mit der Konsequenz, dass auch dafür eine Verfahrensdokumentation vorgehalten werden müsste.

Dagegen spricht, dass die einzelnen Vorfälle, beispielsweise in einem Sonographiegerät, unmittelbar mit Patientendaten verknüpft sind, die dem Berufsgeheimnis unterliegen.

Deshalb sollten sich Radiologen auf den Grundsatz berufen: Nur was digital eingesetzt wird und in irgendeiner Weise mit dem Rechnungswesen in Zusammenhang steht, ist der Finanzverwaltung zugänglich zu machen und muss den Anforderungen der GoBD genügen.

 

Ohne Verfahrensdokumentation geht es nicht!

Sicherlich einer der wichtigsten Punkte – ggf. mit dramatischen Auswirkungen – in künftigen Betriebsprüfungen wird die Verfahrensdokumentation sein. Nach den GoBD erfordert die Nachprüfbarkeit der Bücher und sonst erforderlicher Aufzeichnungen eine aussagekräftige und vollständige Verfahrensdokumentation, die sowohl die aktuellen als auch die historischen Verfahrensinhalte für die Dauer der Aufbewahrungsfrist nachweist und den in der Praxis eingesetzten Versionen des Datenverarbeitungs-Systems entspricht.

Eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation führe „zum Verwerfen der Buchführung“ und damit im Ergebnis also zur Vollschätzung. Die Risiken einer fehlenden Verfahrensdokumentation sind somit enorm. Auch wenn an dieser Stelle abzuwarten bleibt, ob die künftige Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs diese harte Verwaltungslinie mittragen wird.

Anforderungen an die Verfahrensdokumentation

Nach den GoBD müssen buchführungs- bzw. aufzeichnungspflichtige Steuerpflichtige eine Verfahrensdokumentation erstellen, aus der Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des Datenverarbeitungsverfahrens vollständig und schlüssig ersichtlich sind. Die Verfahrensdokumentation besteht in der Regel aus

  • einer allgemeinen Beschreibung,
  • einer Anwenderdokumentation,
  • einer technischen Systemdokumentation,
  • einer Betriebsdokumentation,
  • einer (ggf. tabellarischen) Übersicht über die Zugangsberechtigungen sowie
  • Dokumentenhistorien (mit allen Änderungen der Dokumentation unter Angabe des Änderungsdatums).

Welchen Umfang eine solche Dokumentation in der Praxis tatsächlich haben sollte, hängt von vielen Umständen, insbesondere der Größe des Unternehmens, der Komplexität der Organisationsstrukturen und nicht zuletzt von der im Betrieb eingesetzten Software ab.

So kann beim Einsatz von „Standardsoftware“ an vielen Stellen schlicht auf die einschlägigen Programmdokumentationen verwiesen werden. Bei selbst geschriebenen oder an das Unternehmen angepassten Programmen wird besondere Sorgfalt auf die Beschreibung der Programmfunktionen zu legen sein. Aber auch bei Standardsoftware ist die intensive Auseinandersetzung mit den unternehmensinternen Abläufen unerlässlich.

Fazit

Es gibt keine Verfahrensdokumentation „von der Stange“. Zwar bieten Softwarehäuser inzwischen Tools als Hilfestellung an und durch die Standesorganisationen der steuerberatenden Berufe wurden zwischenzeitlich auch Muster erstellt. Doch diese ersetzen nicht die individuelle Auseinandersetzung mit dem einzelnen Unternehmen.

Aufgabe für die Praxen ist es nun, idealerweise gemeinsam mit ihrem Steuerberater oder einem professionellen Dienstleister die Prozesse zu analysieren und die geforderte Verfahrensdokumentation im notwendigen Umfang zu erstellen. Denken Sie immer daran, Änderungen der Prozesse zu protokollieren!

Zusammenfassend kann damit festgestellt werden: Werden sie aktiv! Weiteres Zögern – gerade bei der Verfahrensdokumentation – kann Sie in künftigen Betriebsprüfungen teuer zu stehen kommen!