Auswirkungen des MVZ auf die Tätigkeit des Chefarztes der Radiologie

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, Hannover, www.spkt.de

Derzeit werden mit dem Instrument „Medizinisches Versorgungszentrum“ (MVZ) bundesweit radiologische Chefarztverträge ausgehebelt. Hierbei geht es um den Entzug der Ermächtigungsambulanz bis hin zur ambulanten privatärztlichen Tätigkeit. Was kann der Chefarzt in einem solchen Fall tun? Könnte das Krankenhaus eventuell ausgleichspflichtig sein? Ist der Chefarzt verpflichtet, gegen seinen Willen im MVZ tätig zu werden? Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Problematik und gibt Antworten auf die Fragen.

Muss der Chefarzt in einem MVZ tätig werden?

Eine Tätigkeit im MVZ kann von dem Chefarzt nicht verlangt werden. Ein Krankenhausträger als Arbeitgeber dürfte dies nur fordern, wenn der Chefarztdienstvertrag eine entsprechende Regelung enthält, wonach ein solches Anliegen in den Bereich der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber fällt.

Dies erscheint schon deshalb unrea-listisch, weil Medizinische Versorgungszentren zum Zeitpunkt des Abschlusses der meisten Chefarztdienstverträge noch nicht bekannt gewesen sein dürften, sodass die Vertragsparteien dazu auch keine Regelung treffen konnten.

Praxishinweis: Wenn der Krankenhausträger den Chefarzt einer Abteilung auch in einem MVZ einsetzen möchte, bedarf dies einer einvernehmlichen Regelung, zu der sich der Chefarzt bereit finden kann, aber nicht muss. Lehnt der Chefarzt eine solche Regelung ab, könnte der Krankenhausträger einen Anspruch nur im Rahmen einer Änderungskündigung durchsetzen. Diese dürfte schon deshalb schwierig werden, weil der Träger des MVZ und der Krankenhausträger häufig nicht identisch sein werden.

Zur Erläuterung: Die Änderungskündigung ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses, verbunden mit dem Angebot an die andere Seite, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen, falls sich der andere mit der Änderung der Arbeitsbedingungen einverstanden erklärt. Die Änderungskündigung dient dem Kündigenden dazu, eine bestimmte Änderung der Arbeitsbedingungen durchzusetzen, die auf der Basis der im Arbeitsvertrag bisher vereinbarten Vertragsbedingungen nicht mehr möglich wäre.

Bleibt dem Arzt die persönliche Ermächtigung erhalten?

Sofern das MVZ auch das gesamte oder zumindest gewisse Teile des Spektrums abdeckt, das dem Chefarzt als persönliche Ermächtigung zugestanden worden ist, dürfte dies dazu führen, dass der Chefarzt seine Ermächtigung verliert. Das MVZ stellt die vorrangigere Versorgungsform dar, sodass die Notwendigkeit einer persönlichen Ermächtigung für den Chefarzt entfällt.

Wie kann sich der Chefarzt zur Wehr setzen?

Die Gründung eines MVZ führt wie oben dargestellt zu einem massiven Eingriff in eine genehmigte ambulante privatärztliche Tätigkeit des Chefarztes einer Krankenhausabteilung. Welche Möglichkeiten der Chefarzt hat, sich dagegen zur Wehr zu setzen, hängt im Einzelfall von der Auslegung seines Chefarztdienstvertrags und einer vertraglich vereinbarten Nebentätigkeitserlaubnis ab.

Könnte der Träger gegenüber dem Chefarzt ausgleichspflichtig sein?

Wenn die Auslegung der Vereinbarungen ergibt, dass hier unzulässig in die Rechte des Chefarztes eingegriffen wird, erscheinen zumindest Entschädigungsansprüche denkbar. Die Verhandlungsposition des Chefarztes gegenüber dem Krankenhausträger dürfte dabei relativ gut sein.

Zwar hat der Krankenhausträger auch die Möglichkeit zur Änderungskündigung gegenüber dem Chefarzt, um diesem die Einkünfte aus der Nebentätigkeitserlaubnis zu entziehen und diesen Bereich dem MVZ zuzuschlagen. Eine solche Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung des Chefarztes hat juristisch jedoch so hohe Hürden, dass sie vor dem Arbeitsgericht kaum durchsetzbar sein dürfte. Hierbei müsste das Krankenhaus als Arbeitgeber praktisch darlegen, dass er ohne die Durchsetzung einer solchen Kündigung in seiner Existenz gefährdet wäre. Dies erscheint unrealistisch.

Fazit

Ein Chefarzt, der mit der Beschneidung seiner Kompetenzen durch ein MVZ nicht ohne Weiteres einverstanden ist, sollte seinen Dienstvertrag sowie die Nebentätigkeits-erlaubnis überprüfen lassen.

Unzulässige Eingriffe muss er nicht hinnehmen. Denkbar ist beispielsweise eine Klage dahingehend, dass ein bestimmter Eingriff wie in die ambulante privatärztliche Tätigkeit nicht zulässig sei. Ebenso sollte der Chefarzt mit dem Krankenhaus eine finanzielle Entschädigung für die aus der Tätigkeit des MVZ resultierende Einschränkung seiner Verdienstmöglichkeiten im ambulanten Bereich vereinbaren.