Aufklärungsfehler: Arzt haftet nur, wenn das unzureichend aufgeklärte Risiko auch eintritt

von RA, FA für MedizinR Dr. Rainer Hellweg, Hannover

In Arzthaftungsprozessen geht es häufig um Aufklärungsfehler, die Patienten den Ärzten zum Vorwurf machen. Bei radiologischen Leistungen steht die Risikoaufklärung vor potenziell gefährlichen Maßnahmen im Fokus. Dass aber eine Haftung wegen eines Aufklärungsfehlers nur in Betracht kommt, wenn sich das Aufklärungsversäumnis auch tatsächlich kausal ausgewirkt hat, hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden in einem aktuell veröffentlichten und bemerkenswerten Beschluss festgestellt (Urteil vom 16.02.2022, Az. 4 U 1481/21).

Sachverhalt

In dem Fall des OLG Dresden ging es um eine Patientin mit einer Transplantatniere. Die Patientin litt unter Vorhofflimmern und wurde im Zeitraum 2015/2016 mehrfach zur Behandlung der Herzproblematik in einer Klinik vorstellig. Im Zuge dessen wurde ein LAA-Verschluss mittels Implantierung eines Occluders vorgenommen. Nach der Entlassung stellte sich bei der Patientin Atemnot ein, was zur erneuten Aufnahme in der – später verklagten – Klinik führte. Hierbei wurde ein hämorrhagischer Perikarderguss (Herzbeutelerguss) festgestellt. Als mutmaßliche Ursache hierfür identifizierten die Behandler den zuvor implantierten Occluder. Dieser sowie das Herzvorhofohr wurden daher operativ entfernt. Nach einem Monat stationärer Behandlung konnte die Patientin die Klinik verlassen. Einige Wochen danach musste die Patientin erneut stationär aufgenommen werden – in einer anderen Klinik. Der Grund war ein akutes Nierenversagen, da das Nierentransplantat nicht mehr funktionierte. Die Patientin verstarb.

Der Ehemann der verstorbenen Patientin erhob als deren Alleinerbe Haftungsklage gegen die erstbehandelnde Klinik. Es wurden Behandlungs- und Aufklärungsfehler in mehrfacher Hinsicht gerügt. In Anbetracht der Nierengefährdung sei eine Indikation für den Eingriff, bei dem der Occluder implantiert wurde, nicht gegeben gewesen. Aufgrund der präinterventionell bestandenen Nierenschwäche sei das ohnehin bereits hohe Risiko eines Perikardergusses um ein Vielfaches erhöht gewesen. Hierüber sei die Patientin nicht aufgeklärt worden – so der Vorwurf im Prozess. Gefordert wurden Schadenersatz sowie ein Schmerzensgeld von mindestens 25.000 Euro.

Entscheidung

Die Argumentation der Patientin ging das OLG Dresden jedoch nicht mit und verneinte eine Haftung. Der Vorwurf mangelnder Aufklärung gehe fehl, so die Bewertung der Richter. Dabei sei sogar unerheblich, ob vor dem Eingriff tatsächlich ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei oder nicht.

Schaden muss kausal sein

Jedenfalls habe sich nämlich das Risiko einer Nierenschädigung – was der Vorwurf der Patientenseite im Prozess war – nicht verwirklicht. Das OLG Dresen hob hervor: Ein etwaiger Aufklärungsfehler könne nur dann zu einer Haftung des Arztes führen, wenn der Patient nachweisen könne, dass sich das Risiko, über das nicht aufgeklärt worden sei, auch tatsächlich verwirklicht habe. Der Schaden müsse auf genau den Teil des Eingriffs zurückzuführen sein, über den zuvor nicht hinreichend aufgeklärt worden und der deshalb ohne rechtswirksame Einwilligung erfolgt sei.

Transplantatversagen schicksalhaft

Dies sei im dortigen Fall nicht gegeben gewesen, so die Schlussfolgerung der Richter. Sie bezogen sich dabei auf den im Prozess beauftragten medizinischen Sachverständigen, der ausgeführt hatte: „Von einer Schädigung der Transplantatniere sowohl durch die Implantation als auch durch die Herzoperation kann deshalb nicht ausgegangen werden. ... Der Krankheitsverlauf und insbesondere das Nierentransplantatversagen war ... schicksalhaft und den vorliegenden Begleiterkrankungen sowie der Natur des Transplantats (Kadaverniere, Implantationsdatum 1987) geschuldet.“ Der Gerichtsgutachter untermauerte diese Einschätzung auch im Einzelnen mit den postoperativen Nierenwerten, die nach der Operation denjenigen vor der Operation entsprochen hätten.

Fazit

Aus Arztsicht ist die Entscheidung des OLG Dresden zu begrüßen. Hiernach reicht es nicht aus, wenn der Patient „irgendeinen“ Teil der präinterventionellen Aufklärung als mangelhaft rügt. Vielmehr wird ein kausaler Zusammenhang zwischen dem behaupteten Aufklärungsfehler und dem später eingetretenen Schaden gefordert.