Aufklärungsfrist bei intraartikulärem KM

Frage: Für Patienten, die regulär zu einer MRT-Untersuchung der Schulter einbestellt werden – welche üblicherweise in nativer Technik durchgeführt wird –, ergeben sich manchmal erst am Tag der Untersuchung diagnostische Fragen, die nur mit weiterführenden Verfahren zu beantworten sind. Diese sind aufklärungspflichtig, da

  • im einfachsten Fall nur intravenös Kontrastmittel (KM) appliziert werden muss (= indirekte Arthrografie). Hier ist alles klar. Der Patient wird unmittelbar vor der Untersuchung aufgeklärt (Bogen + Arztgespräch).
  • gegebenenfalls intraartikulär KM injiziert werden muss (zum Beispiel das Medikament Artirem = direkte Arthrografie). Dieses Szenario stellt eine invasive Methode dar und ist mit einem höheren Komplikationsrisiko verbunden.

Nun die Frage: Ist für diese „rein“ diagnostische, jedoch „invasive“ Vorgehensweise eine Aufklärung und Einverständnisgabe am Untersuchungstag zulässig oder muss sie 24 Stunden vorher, also am Vortag erfolgen?

Dazu RA R. Hellweg, Kanzlei Schroeder-Printzen, Hannover

Grundsätzlich kann zunächst nach dem oben dargelegten Sachverhalt keine generelle Handlungsempfehlung dahingehend gegeben werden, die Aufklärung auch bei intraartikulärer Injektion des Kontrastmittels direkt vor der Untersuchung durchzuführen.

Die rechtliche Problematik

Es gibt nach der Rechtsprechung keine klare Trennung, wonach bei bestimmten Eingriffen die Aufklärung mindestens 24 Stunden vorher erfolgen muss und bei anderen Eingriffen Aufklärung und Einwilligung direkt vor Untersuchungsbeginn ausreichend sind.

Es wird vielmehr abhängig vom Einzelfall gefordert, dass die Aufklärung des Patienten so rechtzeitig erfolgt, dass dieser ohne vermeidbaren Zeitdruck eine hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe vornehmen und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann.

Risikoarme Eingriffe

Es gibt jedoch eine Tendenz der Rechtsprechung dahingehend – und darauf spielt die eingangs genannte Frage an –, dass bei kleineren und risikoarmen ambulanten und insbesondere bei diagnostischen Eingriffen in diesem Sinne eine Aufklärung des Patienten am Tag des Eingriffs als zulässig erachtet wird.

Risikoreiche Eingriffe

Dagegen wird bei risikoreichen Eingriffen die Aufklärung am Tag des Eingriffs vorher nicht für ausreichend gehalten. Teilweise muss der Patient sogar mehr als einen Tag vorher aufgeklärt werden und einwilligen.

Sehr große und riskante OPs

Bei sehr großen und riskanten Operationen wird manchmal verlangt, dass nach der Aufklärung einige Tage vorher kurz vor dem geplanten Eingriff diese wiederholt und der Patient nochmals einwilligen muss. Das heißt, es muss eine sogenannte „Doppelaufklärung“ durchgeführt werden.

Maßgeblich: Zwischen Risiken und Nutzen des Eingriffs abwägen

Maßgeblich sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalls, wobei eine Abwägung zwischen Risiken und Nutzen des Eingriffs zu erfolgen hat. Wenn sich zum Beispiel ein Patient schon länger beim Radiologen in Behandlung befindet und er mit diesem über den geplanten diagnostischen Eingriff schon vorher mehrfach gesprochen hat, kann es im Einzelfall ausreichend sein, wenn er den Patienten nochmals am Tag des Eingriffs selbst aufklärt und dieser dann abschließend einwilligt.

Praxistipp: Ausgehend davon, dass es bei der Problematik um einen rein diagnostischen Eingriff geht, ist im Rahmen der Risiken-Nutzen-Abwägung zu berücksichtigen, dass der elektive Eingriff nicht lebensnotwendig ist und zu keinem direkten Heilerfolg führt, sondern ausschließlich zu diagnostischen Zwecken erfolgt. Bei einem solchen Sachverhalt werden von der Rechtsprechung höhere Anforderungen an die Rechtzeitigkeit der Aufklärung gestellt. Angesichts des vorstehend Erörterten ist zu empfehlen, das Aufklärungsgespräch und die Einwilligung des Patienten mindestens am Vortag des geplanten Eingriffs durchzuführen, um größtmögliche Rechtssicherheit zu erlangen.