Außerordentliche Kündigung durch Chefarzt wegen unzureichender Personaldecke rechtens

von RA, FA für MedR, Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

Ein Chefarzt ist zur außerordentlichen Eigenkündigung seines Dienstverhältnisses berechtigt, wenn der Krankenhausträger ihm trotz Abmahnung entgegen den vertraglichen Vereinbarungen kein ausreichendes nichtärztliches Personal zur Verfügung stellt. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 11. Oktober 2013 (Az. 12 Sa 15/13).

Fall: Chefarzt im Klinik-MVZ 

Im Urteilsfall ging es um einen plastischen Chirurgen, der seit 2005 als Chefarzt der plastisch-chirurgischen Abteilung eines vom Klinikträger betriebenen MVZ tätig war. Ärztliches Personal war ihm nicht unterstellt. Arbeitsvertraglich wurde eine Beteiligung des Arztes an den Erlösen in Höhe von 40 Prozent vereinbart, soweit diese einen Kostendeckungsbeitrag in Höhe von 140.000 Euro übersteigen. Ferner wurde vertraglich fixiert, dass das MVZ dem Arzt ausreichend Personal, Räume und Material zur Verfügung stellt.

In der Folgezeit mahnte der Chefarzt die Klinik mehrfach ab, unter anderem wegen regelmäßiger Personalengpässe. Für den Fall, dass der Verpflichtung zur ausreichenden Personalgestellung nicht nachgekommen werde, drohte er arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur außerordentlichen Kündigung an. Ungeachtet dessen kam es wiederholt zu unzureichenden Personalbestückungen und OP-Ausfällen. Der Arzt kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis im April 2011 außerordentlich und betrieb fortan eine Praxis mit einem Kollegen. Das MVZ klagte gegen die außerordentliche Kündigung, da es an einem wichtigen Grund mangele; es habe ein unvorhersehbarer Personalengpass bestanden.

Die Entscheidung 

Nachdem das MVZ in der ersten Instanz noch obsiegt hatte, urteilte das LAG nun zugunsten des Arztes. Seine außerordentliche Kündigung sei wirksam. Das MVZ habe wiederholt die Pflicht verletzt, dem Arzt ausreichend Personal zur Verfügung zu stellen. Dies sei ausdrücklich vertraglich verankert gewesen. Nur bei ausreichender Personalausstattung könne eine vertragsgemäße Beschäftigung als Chefarzt der plastisch-chirurgischen Abteilung erfolgen.

Entgegen der Auffassung des MVZ habe dieses den Personalengpass auch zu vertreten. Der Arzt habe daher zu Recht eine unzureichende Personaldecke gerügt, er sei in seinem Recht auf vertragsgemäße Beschäftigung nachhaltig verletzt worden. Zudem sei auch sein grundrechtlich geschütztes Recht auf berufliche Entfaltung seiner Persönlichkeit berührt. Letztlich sei unmittelbar auch die Vergütung des Arztes betroffen. Nach wiederholten ergebnislosen Abmahnungen sei die Kündigung auch das verbleibende Mittel der Wahl. Umgekehrt sei nicht ersichtlich, welches Interesse zugunsten des MVZ in der Abwägung zu berücksichtigen sein könnte.

Fazit

Die Entscheidung des LAG arbeitet die Pflichten des MVZ als Arbeitgeber lehrbuchhaft heraus und stellt auch zutreffend fest, dass die Personalengpässe bei der vorgenommenen Personalplanung absehbar und damit dem MVZ bzw. der Klinik schuldhaft zurechenbar waren.

Das Urteil ist auf sämtliche Chefarzt-Verträge übertragbar: Chefärzte können auch bei einer fehlenden vertraglichen Verankerung – diese wird von Trägern bei Vertragsverhandlungen häufig vehement abgelehnt – eine ausreichende Personalausstattung beanspruchen. In Zeiten der Budgetierung und des fortschreitenden Ärztemangels wird die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg gute Argumente und Optionen für Chefärzte in ähnlicher Situation eröffnen.