Arzt darf wegen einer Straftat nicht mehrfach die Approbation entzogen werden

von RA, FA für MedizinR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

Ist eine Berufspflichtverletzung eines Arztes bereits von einer Ärztekammer bestraft worden (hier: zeitweiliger Entzug der Approbation eines Radiologen), so kann nach einem Umzug des Arztes eine andere Ärztekammer diese Pflichtverletzung Jahre später nicht noch einmal berufsgerichtlich bestrafen. Daher ist das Verfahren vor dem Berufsgericht einzustellen (Verwaltungsgericht Meiningen, Urteil vom 10.01.2019, Az. 7 B 70004/17 Me).

Sachverhalt

Ein Facharzt für Radiologie wurde – nach Berufung und Revision – mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14.02.2008 wegen Beleidigung und Vergewaltigung in Tateinheit mit Beleidigung für schuldig erklärt. Nach dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Landgerichts Memmingen vom 19.05.2009 wurde der Beschuldigte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ein im Rahmen des Verfahrens ausgesprochenes Berufsverbot wurde für wegfallend erklärt.

Wegen der Vorwürfe, die der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde lagen, wurde dem Radiologen mit Bescheid der Regierung von Schwaben vom 17.07.2008 die Approbation entzogen. Dieser Bescheid wurde am 02.02.2011 rechtskräftig, nachdem der Beschuldigte seine hiergegen erhobene Klage zurückgenommen hatte. Die Regierung von Schwaben erteilte ihm, befristet bis zum 15.11.2016, die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs. Die Approbation wurde ihm mit Bescheid der Regierung von Oberbayern mit Wirkung zum 16.11.2016 wieder erteilt. Ab Dezember 2014 war er, zunächst befristet, als angestellter Facharzt in einer Klinik in Thüringen tätig. Mit Wirkung vom 03.01.2016 wurde er als Leitender Oberarzt in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen.

Mit Wirkung vom 01.01.2016 wurde der Beschuldigte Mitglied der Einleitungskammer. Der Vorstand der Einleitungskammer beschloss, gegen den Radiologen ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf nicht gewissenhafte Ausübung des ärztlichen Berufs einzuleiten. In der Anschuldigungsschrift für das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Meiningen wurden die Taten vorgebracht, die sich in den Jahren 2003 bis 2006 ereignet hatten und die bereits in den aufgeführten straf- und berufsrechtlichen Verfahren verhandelt worden waren.

Entscheidungsgründe

Zunächst ist das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Meiningen berechtigt, über die vorliegende Anschuldigungsschrift zu entscheiden, obwohl der Beschuldigte die angeschuldigten Taten als Mitglied der Ärztekammer Bayern begangen hatte. Nach dem Thüringer Heilberufegesetz (ThürHeilBG) können nämlich auch Berufspflichtverstöße geahndet werden, die Kammerangehörige während ihrer Zugehörigkeit zu einer vergleichbaren Berufsvertretung im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) begangen haben.

Das berufsgerichtliche Verfahren ist jedoch nach dem ThürHeilBG einzustellen, weil ein Verfahrenshindernis bestehe. Dieses Hindernis ergebe sich daraus, dass über die angeschuldigten Berufspflichtverstöße bereits bestandskräftig entschieden worden sei. Nach Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden. Vorliegend seien die angeschuldigten Taten des Beschuldigten nicht nur strafrechtlich geahndet worden, sondern auch berufsrechtlich. Diese berufsrechtliche Würdigung ist mit dem bestandskräftigen Bescheid der Regierung von Schwaben vom 17.07.2008 erfolgt, mit dem die Approbation des Beschuldigten widerrufen wurde.

Fazit

Trotz schwerer Verfehlungen – hier ging es um sexuelle Übergriffe eines Radiologen gegen seine Patientinnen aus dem Jahr 2003 – muss der Arzt die Möglichkeit haben, nach einer Bewährungszeit wieder beruflich tätig zu sein. Daher darf ihm die andere Ärztekammer im Jahr 2017 aufgrund von Verstößen aus dem Jahr 2003 nicht erneut einem berufsrechtlichen Verfahren unterziehen, um ihm z. B. die Approbation (erneut) zu entziehen. Ist die Approbation staatlicherseits entzogen worden, darf die neue Ärztekammer also kein berufsgerichtliches Verfahren mehr eröffnen.