Anstellung von Ärzten anderer Fachrichtungen jetzt möglich – aber auch sinnvoll?

von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Dr. Tilman Clausen, Hannover, www.armedis.de

Zum 1. Oktober 2013 wurden die Bundesmantelverträge geändert. In § 14 a Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte wurde eine Regelung mit aufgenommen, wonach ein Vertragsarzt einen Arzt eines anderen Fachgebiets oder einer anderen Facharztkompetenz anstellen kann. Im Bundesmantelvertrag Ärzte-Ersatzkassen findet sich die gleiche Regelung an anderer Stelle. Somit können Radiologen nunmehr zum Beispiel Orthopäden anstellen, sich umgekehrt jedoch auch bei ­Orthopäden anstellen lassen. Der anstellende Arzt kann dann die von den angestellten Ärzten erbrachten vertragsärztlichen Leistungen abrechnen. Dies erscheint attraktiv – doch wie steht es tatsächlich um Praktikabilität der Neuregelung? 

Noch viele rechtliche Probleme

Diese Neuregelung in den Bundesmantelverträgen soll zu einer Gleichstellung der niedergelassenen Ärzte mit den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) führen. Jedoch gibt es eine Vielzahl rechtlicher Probleme, die mit der Anstellung von Ärzten einer anderen Fachrichtung verbunden sind und durch die Änderung der Bundesmantel­verträge nicht gelöst werden. 

Die Anstellung eines Arztes einer anderen Fachrichtung

Die Anstellung eines Arztes einer anderen Fachrichtung muss auf einen Vertragsarztsitz erfolgen. Wohl unproblematisch erscheint die Variante, bei der der Arzt der anderen Fachrichtung, der sich anstellen lassen will, auf seinen Vertragsarztsitz zugunsten des anstellenden Arztes verzichtet. Hier finden keine Ausschreibung und kein Nachbesetzungsverfahren statt. Es müssen lediglich die entsprechenden Anträge beim jeweils zuständigen Zulassungsausschuss gestellt werden. 

Sehr viel schwieriger dürfte es beispielsweise der Orthopäde haben, der sich mit einem angestellten Radiologen auf einen radiologischen Vertragsarztsitz bewirbt, der im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V durch den Zulassungsausschuss besetzt werden soll. Hier dürfte wohl einem radiologischen Mitbewerber der Vorzug gegeben werden, der freiberuflich tätig werden will. 

Gewerbesteuerproblematik

Der Radiologe, der einen Orthopäden anstellt, oder der Orthopäde, der einen Radiologen anstellt, muss mit gewerbesteuerlichen Risiken rechnen. Zwar können sich Ärzte grundsätzlich der Mithilfe angestellter Kollegen bedienen, sie sollten dabei aber die fachliche und organisatorische Aufsicht haben, da es ansonsten an den steuerlich für die Freiberuflichkeit geforderten Merkmale „leitend“ und „eigenverantwortlich“ fehlen könnte. 

Zumindest orthopädische und radiologische Leistungen sind für den Orthopäden bzw. Radiologen wechselseitig jeweils fachfremd, sodass es kaum denkbar ist, dass der Orthopäde den Radiologen und umgekehrt der Radiologe den Orthopäden fachlich und organisatorisch beaufsichtigen kann. Hier drohen somit gewerbesteuerliche Risiken, die vor der Anstellung eines Arztes einer anderen Fachrichtung bedacht werden sollten. 

Konsequenzen für die ­Privatabrechnung

Durch die Änderung der Bundesmantelverträge hat sich im Hinblick auf die Abrechnung der durch ­einen angestellten Arzt einer anderen Fachrichtung erbrachten privat­ärztlichen Leistungen nach Maßgabe der GOÄ nichts geändert. Vertragspartner des ­Privatpatienten sind grundsätzlich der oder die Praxisinhaber und nicht der angestellte Arzt. 

Der Abrechnung der durch den angestellten Arzt einer anderen Fachrichtung erbrachten privat­ärztlichen Leistungen durch den anstellenden Arzt dürfte jedoch § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ grundsätzlich entgegenstehen: Danach kann der Arzt nur solche Leistungen gegen­über den Privat­patienten abrechnen, die er entweder selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Selbst ist der anstellende Arzt nicht tätig geworden. Eine Leistungserbringung unter Aufsicht nach fachlicher Weisung scheidet zumindest im Verhältnis Orthopäde zum Radiologen und umgekehrt aus, weil die orthopädischen Leistungen für den Radiologen und die radiologischen Leistungen für den Orthopäden regelmäßig fachfremd sind, beide somit keine fachlichen Weisungen erteilen können. 

Dieses Problem lässt sich zumindest theoretisch dadurch umgehen, dass dem angestellten Arzt – wie dem Chefarzt im stationären Bereich – ein Liquidationsrecht bei Privatpatienten gewährt wird, der angestellte Arzt damit die von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen direkt gegenüber den Patienten abrechnet. Zweifelhaft ist allerdings, ob die Kostenträger zur Erstattung verpflichtet sind (§ 4 Abs. 2 Satz 1 MB/KK). 

Fazit

Die Anstellung eines Arztes eines anderen Fachgebiets mag dem einen oder anderen Vertragsarzt unter dem Gesichtspunkt eines attraktiveren medizinischen Angebots vorteilhaft erscheinen, sie birgt jedoch – wie beschrieben – noch einige Unwägbarkeiten. Ärzte, die von der Neuregelung der Bundesmantelverträge Gebrauch machen wollen, sollten sich deshalb in jedem Fall vorab beraten lassen und prüfen, ob die gegebenenfalls daraus resultierenden Vorteile nicht durch damit verbundene Nachteile wieder aufgewogen werden.