Aktuelle BSG-Rechtsprechung, die Sie unbedingt kennen sollten!

von RA und FA für MedR Dr. Thomas Willaschek, Dierks + Bohle Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin, www.db-law.de

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Sitzung am 4. Mai 2016 gleich mehrere für Radiologen relevante Entscheidungen getroffen. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem bereits veröffentlichten Terminbericht fasst dieser Beitrag zusammen.

Anstellungsgenehmigungen: Das BSG setzt die Daumenschrauben an 

Für Praxiskäufe zur Sitzakquise – insbesondere von MVZ – dürfte die Entscheidung zum Az. B 6 KA 21/15 R von großer Bedeutung werden. Konkret geht es um die Frage, wie lange ein Arzt, der auf seine Zulassung verzichtet hat, um als Angestellter in einem MVZ tätig zu werden, im MVZ beschäftigt werden muss, bevor das MVZ die Arztstelle nachbesetzen kann. Bislang war es allgemeine Auffassung, dass rund zwei Quartale genügen. Das könnte sich ab sofort ändern. Der Terminbericht des BSG enthält dazu die folgende Passage: „Die zu fordernde Absicht des (ehemaligen) Vertragsarztes, im MVZ tätig zu werden, wird sich – wie der Senat für die Zukunft klarstellt – grundsätzlich auf eine Tätigkeitsdauer im MVZ von drei Jahren beziehen müssen, wobei die schrittweise Reduzierung des Tätigkeitsumfangs um ¼ Stelle in Abständen von einem Jahr unschädlich ist. Bereits bestandskräftig erteilte Anstellungsgenehmigungen bleiben davon unberührt und können auch Grundlage einer späteren Stellennachbesetzung werden.“

Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass Zulassungsgremien zukünftig die Nachbesetzung einer (am 4. Mai 2016 noch nicht bestandskräftig) genehmigten Anstellung verweigern, wenn der Praxisabgeber, der auf seine Zulassung zum Zwecke der Anstellung verzichtet hatte, nicht mindestens drei Jahre im MVZ tätig war. Denkbar ist zudem, dass noch nicht bestandskräftige Anstellungsgenehmigungen von KVen oder Krankenkassen durch Widerspruch angefochten werden, um diese der neuen Rechtsprechung unterfallen zu lassen.

Erhebliche Schwierigkeiten bei der „vorfristigen“ Nachbesetzung sind also absehbar, auch wenn fraglich erscheint, ob diese Rechtsprechung angesichts des offensichtlich entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers Bestand haben kann. Es sind jedenfalls Strategien zum Umgang mit dem Urteil und vor allem Lösungen gefordert, um die geforderte Absicht des anzustellenden Arztes bzgl. einer dreijährigen Tätigkeit dokumentieren zu können. Die schriftlichen Gründe zur Entscheidung, die in einigen Wochen vorliegen werden, tragen hoffentlich dazu bei, die Sitzakquise auch zukünftig rechtssicher gestalten zu können.

Daneben entschied das BSG in einem zweiten Verfahren (Az. B 6 KA 28/15 R), dass Viertel-Arztstellen in einem MVZ nicht mehr unbegrenzt offen gehalten werden dürfen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass durch größere MVZ solche Stellen in einem für die Entsperrung eines Planungsbereichs relevanten Umfang „gebunkert“ würden. Deshalb verliere ein MVZ sein Nachbesetzungsrecht, wenn es über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr keine ernsthaften und aussichtsreichen Bemühungen zur Nachbesetzung einer Viertel-Stelle unternehme und nicht belegen könne, dass nach Jahresfrist zeitnah noch mit einer Nachbesetzung gerechnet werden könne.

Strahlentherapie: Radiologen erhalten keine Genehmigung 

In einem Verfahren über die Genehmigung zur Durchführung strahlentherapeutischer Leistungen der Weichstrahl- und Orthovolttherapie blieb die Revision eines zugelassenen Facharztes für Diagnostische Radiologie erfolglos (Az. B 6 KA 13/15 R). Diese Leistungen seien für den Kläger fachfremd.

Das Gericht schloss sich insoweit der Vorinstanz an. Danach komme keine Genehmigung in Betracht, weil die Leistungen der nach dem für das Gebiet Radiologie maßgeblichen Weiterbildungsinhalte nicht zum Fachgebiet der Radiologie gehörten. Bei zwei methodenbezogenen Fachgebieten wie der Radiologie und der Strahlentherapie ergebe sich die Fachzugehörigkeit der streitigen Leistungen bereits aus der Anwendung der jeweiligen Untersuchungsmethode.

Der Radiologe hatte nach der für ihn geltenden Weiterbildungsordnung eingehende Kenntnisse lediglich im Strahlenschutz sowie in der Indikation zur Strahlentherapie erworben. Die Weiterbildung für das frühere Teilgebiet der Radiologie „Strahlenheilkunde“, das in der Weiterbildungsordnung als eigenes Fachgebiet ausgewiesen war, hatte er nicht absolviert. Nach dem BSG kam es deshalb nicht darauf an, ob der Kläger die Voraussetzungen erfüllte, die die Qualitätssicherungsvereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie an die strahlentherapeutische Leistungserbringung stellt.

Moratorium rechtmäßig – Anstellungsgenehmigungen sind der BAG zuzuordnen 

In einem weiteren Verfahren hat das BSG (Az. B 6 KA 24/15 R) über den sogenannten Moratoriumsbeschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 6. September 2012 entschieden. Dieser ging der anschließenden Neufassung der Bedarfsplanungsrichtlinie vom 20. Dezember 2012 voraus, mit der auch Arztgruppen mit bundesweit weniger als 1.000 Vertragsärzten in die Bedarfsplanung einbezogen wurden, u. a. die Strahlentherapeuten. Das BSG hält das Entscheidungsmoratorium und die Versagung einer nach dem Moratoriumsbeschluss beantragten Anstellungsgenehmigung für zulässig. Dass das Gericht meint, der Zuschnitt der Planungsbereiche sowie der Verzicht auf die Anwendung des Demographiefaktors bei den neu beplanten Arztgruppen sei zu überprüfen, fällt weniger ins Gewicht.

Interessant: Das BSG geht offenbar davon aus, dass Anstellungsgenehmigungen nach § 32b Ärzte-Zulassungsverordnung nicht dem einzelnen Arzt als Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) zu erteilen sind, sondern der BAG als Ganzes. Dies wurde bisher auf breiter Ebene von den Zulassungsgremien anders gehandhabt.