von Rechtsanwältin Anke Harney, Fachanwältin für Medizinrecht, Münster/Westf., www.ra-wigge.de
In der Vergangenheit hatten Plausibilitätsprüfungen im Fachgebiet der Radiologie nur geringe praktische Relevanz. Das hat sich inzwischen geändert: Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) führen nunmehr auch regelmäßig bei Radiologen Plausibilitätsprüfungen durch. Bei Auffälligkeiten kann es zu erheblichen Rechtsfolgen kommen. Grund genug, sich damit eingehend zu befassen.
Zunächst drohen Honorarrückforderungen, die – je nach Umfang der zeitlichen Überschreitungen und der Anzahl der überprüften Quartale – sich auf fünf- bis sechsstellige Summen belaufen können. Abhängig von der Schwere des Fehlverhaltens können für den betroffenen Radiologen möglicherweise Folgeverfahren entstehen. Denkbar sind Disziplinarverfahren, Zulassungsentziehungsverfahren, berufsgerichtliche Verfahren sowie Approbationsentzugsverfahren und staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren. Hinzu kommen gegebenenfalls Kosten für die rechtliche Vertretung sowie nicht unerhebliche Verfahrenskosten.
Die Plausibilitätsprüfung ist ein Instrument der KVen zur Feststellung, ob die radiologischen Leistungen unter Beachtung der Abrechnungsbestimmungen des EBM erbracht worden sind. Dazu werden von den Radiologen Zeitprofile erstellt, mithilfe derer festgestellt wird, ob das Abrechnungsverhalten auffällig ist. Geprüft wird, ob die abgerechneten Leistungen in zeitlicher Hinsicht im Einklang mit den Abrechnungsbestimmungen erbringbar waren.Die KVen greifen dabei auf die im Anhang 3 zum EBM festgelegten Prüfzeiten zurück, die für die einzelnen EBM-Ziffern als Minutenwert von der KBV und den gesetzlichen Krankenkassen festgelegt werden.
Auf der Grundlage der addierten Prüfzeiten wird die arbeitstägliche Zeit des Radiologen ermittelt. Zeitlich auffällig wird der Radiologe, wenn die Addition der Prüfzeiten ergibt, dass er im Tageszeitprofil an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden gearbeitet hat. Der Anhang 3 zum EBM bestimmt ebenfalls, welche EBM-Ziffern im Tageszeitprofil und/oder im Quartalszeitprofil berücksichtigt werden dürfen. So dürfen beispielsweise die Zeitvorgaben für die radiologischen Konsiliarpauschalen (Ziffern 24210 bis 24212) allein in die Quartalsprofilberechnung einfließen, nicht jedoch in die Tageszeitprofilberechnung, da die Konsiliarpauschalen nur einmal pro Behandlungsfall abrechenbar sind.
Die ebenfalls im Anhang 3 zum EBM enthaltenen Kalkulationszeiten dienen der betriebswirtschaftlichen Kalkulation des radiologischen Honorars. Da es sich hierbei um Durchschnittszeiten handelt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch nur Mindestzeiten berücksichtigungsfähig sind, dürfen sie im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen nicht herangezogen werden.
In der nachfolgenden Tabelle wird ein Auszug aus dem Anhang 3 des EBM-Ä dargestellt, aus dem sich der für bestimmte MRT- und CT-Ziffern vorgegebene Zeitbedarf ergibt.
Beispiele für Prüfzeiten von EBM-Ziffern |
||||
EBM-Nr. |
Kurzlegende |
Kalkulationszeit (Minuten) |
Prüfzeit (Minuten) |
Eignung der Prüfung |
24211 |
Konsiliarkomplex 6. bis 59. Lebensjahr |
5 |
4 |
Nur Quartalsprofil |
24212 |
Konsiliarkomplex ab 60. Lebensjahr |
6 |
5 |
Nur Quartalsprofil |
34311 |
CT-Untersuchung von Teilen der Wirbelsäule |
13 |
9 |
Tages- und Quartalsprofil |
34341 |
CT-Untersuchung des gesamten Abdomens |
25 |
18 |
Tages- und Quartalsprofil |
34343 |
Zuschlag vollständige zweite Serie |
13 |
9 |
Tages- und Quartalsprofil |
34411 |
MRT-Untersuchung von Teilen der Wirbelsäule |
21 |
14 |
Tages- und Quartalsprofil |
34450 |
MRT-Untersuchung der Extremitäten außer der Hand, des Fußes |
21 |
14 |
Tages- und Quartalsprofil |
34502 |
CT-gesteuerte |
25 |
25 |
Tages- und Quartalsprofil |
Die Überschreitung der genannten Zeiten (mehr als zwölf Stunden an mindestens drei Tagen im Quartal oder mehr als 780 Stunden im Quartal) führt nicht zwangsläufig zu einer Kürzung der die Zeitvorgaben überschreitenden Leistungen, sondern bedeutet zunächst nur ein Auffälligkeitskriterium. Der KV prüft, ob die Überschreitung der zeitlichen Grenzen möglicherweise auf einen oder mehrere der folgenden sie zur Rückforderung von Honorar berechtigenden Gründe zurückzuführen ist:
Hat die KV ein zeitlich auffälliges Leistungsverhalten festgestellt, so muss der Radiologe erklären und nachweisen, dass die Zeitüberschreitungen plausibel sind und nicht auf eine der genannten Ursachen zurückzuführen sind. Dabei gibt es verschiedene Ansatzpunkte:
Gut dokumentieren
Die Praxis sollte eine detaillierte Patientendokumentation führen, aus der hervorgeht, dass die abgerechneten Leistungen tatsächlich und vollständig von dem betreffenden Radiologen (der über seine Arztnummer identifizierbar ist) in dem entsprechenden Quartal bzw. an dem entsprechenden Tag erbracht worden sind.
Die Software der Praxis sollte einen solchen Nachweis ermöglichen, indem mit ihrer Hilfe arzt- und tagesbezogen die behandelten Patienten und jeweils erbrachten Leistungen (EBM-Ziffern) in zeitlicher Chronologie abgebildet werden. Ohne entsprechende Software fällt ein detaillierter Nachweis allerdings schwer. Streng genommen müsste der Nachweis für jeden einzelnen Arbeitstag erfolgen. Jedoch reicht es aus, die Plausibilität der Abrechnung zunächst für diejenigen Tage nachzuweisen, an denen eine besonders hohe Überschreitung der täglichen Arbeitszeit vorliegt (zum Beispiel mehr als 24 Stunden). Dabei ist argumentativ an diejenigen Gebührenziffern anzuknüpfen, die besonders häufig abgerechnet worden sind.
Häufig argumentieren Radiologen, die Prüfzeiten einzelner Ziffern seien zu hoch angesetzt. Sie würden die Leistungen tatsächlich schneller erbringen als es der EBM vorsieht. Für die Stützung dieses Arguments ist wiederum die Patientendokumentation überaus wichtig. Sie wird vielfach den Ausschlag dafür geben, ob die Folgen einer Plausibilitätsprüfung erfolgreich abgewendet werden können.
Prüfen: Wurden delegationsfähige Leistungen herausgerechnet?
Das Bundessozialgericht hält die Überprüfungen über Tages- und Quartalsprofile für rechtmäßig. Allerdings muss sich die Bemessung der Zeiten unter Weglassen der delegationsfähigen Leistungen orientieren.
Gerade im Bereich der Radiologie ist wegen der gerätebezogenen Untersuchungsleistungen der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung wesentlich freier ausgestaltet als bei anderen medizinischen Leistungen. Da weitreichende Delegationsmöglichkeiten bestehen, sind diese – soweit sie aus den Zeitprofilen noch nicht herausgerechnet worden sind – zu korrigieren. In dem Zusammenhang ist die Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 29. August 2008 zur persönlichen Leistungserbringung im Fachgebiet der Radiologie relevant.
Dort heißt es zum Beispiel für die Kontrastmitteleinbringung, dass diese delegiert werden kann. Wird daher die für die KM-Einbringung vorgesehene Prüfzeit (bei Nr. 34343 = 9 Minuten) in den Zeitprofilen als Arztzeit angesetzt, so wird die arbeitstägliche Zeit des Radiologen zu hoch angesetzt, weil der Arbeitsanteil der MTRA bezogen auf die reine Applikation des Kontrastmittels bei 100 Prozent liegt. Würde zum Beispiel die Nr. 34343 an einem Tag 20 Mal abgerechnet, so ergibt sich eine aus den Zeitprofilen der KV herauszurechnende Prüfzeit von immerhin 180 Minuten. Sofern in den Zeitprofilen noch technische Leistungsanteile enthalten sein sollten, so wären diese, da es sich um delegationsfähige Leistungen handelt, auch insoweit zu korrigieren.
Prüfen: Wurden zeitliche Überschneidungen herausgerechnet?
Darüber hinaus ist bei großen Praxen, die über mehrere CT und/oder MRT verfügen, zu berücksichtigen, dass die Untersuchungen parallel durchgeführt werden, sodass sich die Betriebszeiten zeitlich überschneiden. Demnach dürfen Leistungen, die zeitgleich oder in zeitlicher Überschneidung erbracht werden, nicht addiert, sondern müssen miteinander verrechnet werden.
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