Wann wird eine Zweigpraxis genehmigt?

von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann und RA Benedikt Büchling, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Lehnt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) den Antrag eines radiologischen und nuklearmedizinischen Versorgungszentrums (MVZ) auf Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung u. a. mit der Begründung ab, dass weder die operationsbegleitende gefäßinterventionelle Gefäßdiagnostik noch belegärztliche Leistungen zur Versorgungsverbesserung beitragen, handelt sie rechtmäßig (Sozialgericht [SG] Marburg, Urteil vom 6.1.2016, Az. S 16 KA 479/14 ).

Der aktuelle Fall 

Das klagende MVZ hatte die Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis beantragt, die ca. 4 km von der Hauptpraxis entfernt liegt. Das Leistungsspektrum der Filiale sollte die allgemeine Röntgendiagnostik und die interventionelle Gefäßdiagnostik abdecken. Die Zweigpraxis sollte außerdem für ein Belegkrankenhaus ohne eigene radiologische Abteilung die operationsbegleitende gefäßinterventionelle Gefäßdiagnostik übernehmen. Die KV lehnte den Antrag ab.

Die Rechtsgrundlagen 

Das SG bestätigte die Ablehnung der Zweigpraxis. Rechtsgrundlage ist § 24 Abs. 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) i. V. m. § 98 Abs. 2 Nr. 13 Sozialgesetzbuch (SGB) V. Danach setzt die Zweigpraxis-Genehmigung voraus:

„Vertragsärztliche Tätigkeiten außer- halb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit

  • 1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und
  • 2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird; geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes sind unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden.“
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Schließlich dürfen der Genehmigung keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen.

Die Entscheidung 

Zur Beurteilung einer Versorgungsverbesserung sei nicht auf die spezielle Patientenstruktur einer Praxis, sondern abstrakt bezogen auf die im Einzugsgebiet des Standorts lebenden Versicherten abzustellen. Insofern würde die beantragte Zweigpraxis nach Ansicht der Richter weder zu einer quantitativen noch zu einer qualitativen Versorgungsverbesserung führen.

Bei der Prüfung einer Versorgungsverbesserung sei im Gegensatz zur Bedarfsplanung nicht auf den Planungsbereich abzustellen, sondern auf den „weiteren Ort“, an dem die Zweigpraxis betrieben werden sollte:

  • Aufgrund der kurzen Distanz zwischen Haupt- und Zweigpraxis liege keine quantitative Versorgungsverbesserung vor, da im Versorgungsbereich 45 Radiologen – alle unter 10 km vom Standort der Hauptpraxis entfernt – ansässig seien. Den Patienten seien diese Entfernungen zumutbar.
  • Eine qualitative Verbesserung scheide aus, da die Leistungen ebenso von den umliegenden Radiologen erbracht würden.
  • Daran ändere auch die Zielsetzung der Zweigpraxis nichts, im Wesentlichen belegärztliche Leistungen erbringen zu wollen. Ihr Wirkungskreis reduziere sich damit nämlich auf die Behandlung stationärer Patienten. Dies aber überspanne den Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung.

Stellungnahme 

Die Genehmigungspraxis der KVen für Zweigpraxen ist bundesweit nicht einheitlich. Möglicherweise erfolgt hier eine teilweise Harmonisierung: So hat das Bundessozialgericht (BSG) in einer noch nicht veröffentlichten Entscheidung zu den Anforderungen an eine Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV Stellung genommen. Insoweit sind indes die genauen Entscheidungsgründe abzuwarten.

Nach dem BSG sei es aber für das Kriterium der Versorgungsverbesserung nicht entscheidend, wie viele Patienten die Zweigpraxis tatsächlich nutzen. Es komme allein darauf an, ob Patienten am Ort der Zweigpraxis von diesem Versorgungsangebot profitieren. Also kann auch eine geringe Anzahl von Patienten, die von einem Versorgungsangebot profitieren, zur Genehmigung einer Zweigpraxis führen. Zulassungsgremien dürfen insoweit keine überzogenen Anforderungen an die Annahme einer Versorgungsverbesserung stellen. Die konkrete Grenzziehung wird dem Einzelfall überlassen bleiben müssen. Im vorliegenden Fall wäre – bei entsprechender Argumentation – auch eine andere Entscheidung vertretbar gewesen. Fehlerhaft ist die Entscheidung ungeachtet dessen nicht.