Schreiben lassen, statt selbst schreiben: auf dem Weg zum KI-gestützten Arztbriefgenerator

Wenn es um den Abbau von Bürokratieaufwand geht, setzen viele Fachleute auf die Anwendung künstlicher Intelligenz (KI). Und dabei gibt es schon jetzt weitaus bessere Lösungen als den bekannten Chatbot „ChatGPT”: Präziser und auf die professionellen Bedürfnisse von Kliniken zugeschnitten kann etwa das sogenannte Natural Language Processing (NLP) bei der Erstellung von Arztbriefen helfen. Entwickelt werden solche Lösungen aktuell vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) in Sankt Augustin in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Essen.

Medizindaten sind meist Textdaten

Die Menge an Gesundheitsdaten nimmt unaufhaltsam zu. Das bedeutet nicht nur, dass die Informationsdichte stetig wächst und damit Fortschritte in Diagnostik und Therapie erzielt werden können, sondern diese Entwicklung formuliert auch einen Auftrag an ein effizientes Prozessmanagement. Denn ein Großteil der medizinischen Daten liegt in Form von Texten vor, deren manuelle Auswertung und Weiterverarbeitung oft mühsam und aufwendig ist. Genau das jedoch prädestiniert sie umgekehrt dank textbezogener KI-Tools für die maschinelle Weiterverarbeitung. So gibt es bereits erste Lösungen, dies zu automatisieren. Informationen aus Texten werden beim sogenannten Natural Language Processing (NLP), einer Kombination aus Algorithmen und KI, extrahiert und in strukturierter Form zur Verfügung gestellt. Dadurch lassen sich in einem Bruchteil der Zeit, die bisher dafür benötigt wird, neue Texte wie Arztbriefe erzeugen.

Wissenschaftliches Whitepaper zeigt Potenziale

Aber nicht nur das ist realisierbar, sondern auch Prozesse wie Qualitätssicherung, Erstellen von Statistiken, klinische Entscheidungsunterstützungen und Abrechnungen sind auf diese Weise künftig viel einfacher und schneller möglich. Welche Chancen sich außerdem noch durch NLP für den medizinischen Bereich ergeben, haben Wissenschaftler des Fraunhofer IAIS im neuen Whitepaper „Natural Language Processing in der Medizin“ zusammengefasst (siehe weiterführender Hinweis).

Das eingängigste Anwendungsbeispiel ist der schon erwähnte Arztbriefgenerator, schließlich werden rund 150 Mio. Arztbriefe pro Jahr in Deutschland geschrieben. Ein Prototyp des Generators soll im kommenden Jahr an der Universitätsmedizin Essen im Zuge des KI.NRW-Flagship-Projekts SmartHospital.NRW getestet werden. Für die automatisierte Erstellung der Arztbriefe wertet die KI alle vorliegenden Dokumente sowie strukturierten Daten aus und erstellt einen natürlich klingenden Text, der zusätzlich leicht verständliche Erklärungen für die Patienten enthält. Nach einer Kontrolle und möglichen Ergänzung oder Änderung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt wird der Entlassbrief automatisiert erzeugt.

Perspektiven bei der Diagnose

Nicht nur beim Arztbrief, sondern auch schon im Vorfeld können NLP-Systeme künftig viel Zeit und Ressourcen einsparen. So lassen sich etwa eingetragene Notizen in Gesundheitsapps auf relevante Symptome und Beschwerden hin analysieren. Zusammen mit Daten z. B. von Smartwatches wird es möglich sein, auf drohende Gesundheitsgefahren hinzuweisen. Bei akutem Bedarf für eine medizinische Behandlung könnten Chatbots dabei helfen, die korrekte Anlaufstelle zu finden und Patientenströme zwischen Krankenhäusern, Versorgungszentren und Arztpraxen zu leiten, heißt es im Whitepaper.

Auch die Dokumentation des Aufnahmegesprächs könne durch eine automatische Erstellung von klinischen Notizen unterstützt werden und sei für die nachgelagerte Behandlung nützlich. Besonders in der Notaufnahme könne KI die behandelnden Ärzte enorm unterstützen, indem Risiken eingeschätzt und Diagnose- sowie Therapievorschläge gemacht würden. Dazu könnten KI-Modelle bei der Erstellung von Befunden bei radiologischen Bildgebungen Vorschläge machen oder durch Literaturanalyse wissenschaftliche Publikationen aufbereiten und dem ärztlichen Personal zur Entscheidungsunterstützung zur Verfügung stellen.

Unterstützung bei der Therapie

Während therapeutischer Maßnahmen könnten NLP-Ansätze helfen, Operationen und Pflegemaßnahmen automatisch zu dokumentieren, um die Qualität der Behandlung zu sichern und gleichzeitig die Abrechnung zu vereinfachen, so die Autoren des Whitepapers weiter. Umfangreiche medizinische Leitlinien könnten analysiert und auf den vorliegenden Fall bezogen werden, sodass direkt nur die relevanten Abschnitte hervorgehoben werden. Insbesondere in zeitkritischen und stressigen Situationen ist dies ein unschätzbarer Vorteil.

Ebenfalls hoch therapierelevant sind bei der Medikation automatisierte und gezielte Hinweise auf Wechselwirkungen oder Kontraindikationen – immer bezogen auf den jeweiligen Fall. Im Hinblick auf die eigenen therapeutischen Maßnahmen verschaffen intelligente Lösungen einen Überblick des gesamten Behandlungsverlaufs, indem sie Aufzeichnungen automatisch chronologisch strukturieren und so helfen, Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren.

Weiterführender Hinweis

  • Das Whitepaper können Sie nach kostenloser Registrierung von der Website des Fraunhofer IAIS herunterladen. Nutzen Sie hier für den Shortlink iww.de/s8605