Schmerzensgeld für verspätete, Todesangst verursachende Diagnose

von RA Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund

Für fehlerhaftes Verhalten bei der Durchführung eines Mammographie-Screenings zur Brustkrebsfrüherkennung haften der programmverantwortliche Arzt und die befundenden Ärzte. Geht die Patientin irrig davon aus, dass der Behandlungsfehler den Verlauf ihrer Behandlung verschlimmert hat und für ihren nahenden Tod verantwortlich sein wird und ist dadurch eine psychische Beeinträchtigung mitverursacht worden, rechtfertigt dies ein Schmerzensgeld (Landgericht [LG] Dortmund, Urteil vom 17.03.2016, Az. 4 O 210/11 ).

Der Fall 

Es klagten die Erben einer an den Folgen eines Mammakarzinoms verstorbenen Patientin. Deren Mammographie-Bilder waren von zwei Fachärzten für Radiologie und einem Facharzt für Gynäkologie der befassten Screening-Einheit fälschlicherweise als unauffällig befundet worden: Zwei Ärzte hatten die Ergebnisse des Mammographie-Screenings als unauffällig eingestuft; der dritte Arzt teilte dies als Programmverantwortlicher der Patientin mit.

Die Entscheidung 

Das LG verurteilte die drei Ärzte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 2.500 Euro und Schadenersatz. Zunächst habe der Programmverantwortliche nach Ziffer B 4. b) (4) der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie allein den Versorgungsauftrag übernommen. Er habe die notwendige ärztliche Behandlung und Betreuung der Frau einschließlich Aufklärung und Information sowie die übergreifende Versorgungsorganisation und -steuerung umfasst.

Die Mammographie-Bilder zeigten einen auffälligen Befund, der weiterer Abklärung bedurft hätte. Die Fehlinterpretation der Bilder stelle einen Diagnosefehler dar, für den die befundenden Ärzte neben dem Programmverantwortlichen haften.

Aus Sicht des Gerichts hätte sich der Todeseintritt der Betroffenen höchstwahrscheinlich auch bei früherer Intervention nicht vermeiden lassen. Jedoch sei sie sowohl durch die Krebs-Diagnose als auch durch den Behandlungsfehler seelisch bis zu ihrem Tod schwer belastet gewesen und habe an Depressionen gelitten. Solche psychischen Störungen von Krankheitswert seien als Gesundheitsverletzung einzuordnen.

Praxishinweis

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das LG berücksichtigt, dass die Verstorbene aus der verspäteten Diagnosestellung auch Vorteile gezogen hat. Sie habe infolge der Unwissenheit der Krankheit noch sieben unbelastete Monate verleben können.