Referentenhonorar und Co. – Schließen Sie Risiken aus Ihren Kooperationsverträgen aus

Das Antikorruptionsgesetz von Mitte 2016 und die strenge Handhabung der Ärztekammer Niedersachsen bei industriegeförderten Fortbildungsveranstaltungen sorgt bei Ärzten nach wie vor für große Verunsicherung: Welche Referententätigkeit dürfen sie sich von der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie honorieren lassen? Zu welchen Kongressen dürfen sich Ärzte straffrei einladen lassen? Welche Gewinnbeteiligungen an Unternehmen oder bezahlte Anwendungsbeobachtungen sind jetzt noch erlaubt? Diese Fragen sind Anlass für jeden Arzt, eigene Verträge unter die Lupe zu nehmen.

Das ist gewollt und zulässig 

Legitime Kooperationsformen zwischen niedergelassenen und Krankenhaus-Ärzten oder zwischen Ärzten und der Industrie sollen nicht von den neuen Antikorruptionsvorschriften der § 299a und b Strafgesetzbuch (StGB) berührt werden. Berufliche Zusammenarbeit im Gesundheitswesen ist gesundheitspolitisch grundsätzlich gewollt und im Interesse des Patienten, z. B.

  • Vor- und nachstationäre Behandlungen nach § 115a Sozialgesetzbuch (SGB) V
  • Ambulante Behandlungen nach § 115b SGB V
  • Ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116 SGB V
  • Entlass-Management
  • Ambulantes Operieren im Krankenhaus
  • Tätigkeit von Honorarärzten im Krankenhaus für allgemeine Krankenhausleistungen
  • Teilzeitanstellung niedergelassener Ärzte im Krankenhaus

Das ist unzulässig 

Nach § 299a StGB machen sich aber u. a. die Heilberufler strafbar, die im Zusammenhang mit Verordnungs- oder Zuweisungsentscheidungen Marktteilnehmer unlauter bevorzugen (zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen ausführlich: RWF Nr. 3/2016 und RWF Nr. 6/2016). Das ist der Fall, wenn die Bevorzugung mittels einer gezahlten oder geforderten Gegenleistung erkauft wurde.

Merke!

Angestellte Klinikärzte konnten sich schon vor Inkrafttreten der Antikorruptionsvorschriften nach § 299 StGB strafbar machen. Für Angestellte eines kommunalen Trägers oder einer Uni-Klinik greifen auch die Vorschriften der §§ 331 ff. StGB.

 

Unklar: Wo verläuft die Grenze zulässige/unzulässige Kooperation? 

Voraussetzung für eine zulässige Kooperation ist, dass die gezahlte Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu der hierfür erbrachten ärztlichen Leistung steht. Insofern ist die Grenzziehung zu unzulässigem Verhalten im Einzelfall allerdings alles andere als leicht. Denn die Zahlung eines Geldbetrags ist sowohl für legitime Kooperationsformen als auch bei illegitimer Einflussnahme wesenstypisch.

Hinzu kommt, dass der strafrechtliche Anknüpfungspunkt „Unlauterkeit“ im Strafrecht selbst nicht klar konkretisiert wird. Für die Auslegung sind vielmehr Vorgaben des Heilmittelwerbe-, Wettbewerbs- und Berufsrechts oder Regelungen aus dem Transparenzkodex des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) heranzuziehen.

Auch die Rechtsprechung hat bisher nicht klar abgegrenzt oder allgemeingültig entschieden.

Gibt es eine Bagatellgrenze? 

Nach dem Bundesgerichtshof (BGH) soll die für die heilmittelwerberechtliche Zulässigkeit von Zuwendungen maßgebliche Geringwertigkeitsschwelle grundsätzlich bei 1 Euro liegen. Teilweise wurde aber auch die Schenkung von Geldbeuteln im Wert von 40 Euro als zulässig erachtet, wenn sich der Beschenkte davon nicht unsachlich beeinflussen lässt.

Geschenke

Die Annahme nachträglicher Geschenke von Patienten als Dank für eine erfolgreiche Behandlung ist nicht nach § 299a StGB strafbar. Allerdings sollte ein Arzt lieber auf die Annahme von Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenken (z. B. Blumen, Champagner) von Kooperationspartnern verzichten, um sich nicht angreifbar zu machen.

 

Indizien können für eine Unrechtsvereinbarung sprechen 

Zur Strafbarkeit reicht das bloße Annehmen eines Vorteils nicht aus (anders nur bei § 331 StGB , der ausdrücklich auch die reine Vorteilsannahme unter Strafe stellt). Entscheidend ist eine unzulässige Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung (= Unrechtsvereinbarung): Der Arzt muss den Vorteil als Gegenleistung für eine (zumindest beabsichtigte) unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder einen (zumindest beabsichtigten) Verstoß gegen seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung seiner heilberuflichen Unabhängigkeit fordern, sich versprechen lassen oder annehmen.

Das Vorliegen bestimmter Indizien begründet insofern ein erhöhtes Verfolgungsrisiko, auch wenn sie tatsächlich nicht Teil einer Unrechtsvereinbarung sind (Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 30.09.2014, Az. III-1 RVs 91/14).

Beispiele für schädliche Indizien

  • Dem Honorar für den Arzt steht keine erkennbare ärztliche Gegenleistung gegenüber.
  • Das Entgelt ist höher als der Gegenwert der ärztlichen Leistung.
  • Die Entschädigung für den Arzt übersteigt den geleisteten Aufwand deutlich.
  • Die Vereinbarung ist nicht transparent; es fehlen plausible Zielsetzungen.
  • Es gibt Anhaltspunkte für eine Bevorzugung des Auftraggebers.
  • Eine Handlung wird tatsächlich im Interesse des Auftraggebers vorgenommen.

 

Beispiel: Zuweiserprämien 

Ein Arzt füllt gemeinsam mit jedem von ihm in die Klinik eingewiesenen Patienten innerhalb von drei Jahren vier Fragebögen pro Patient aus und leitet diese zur Bewertung von Behandlungsmethoden an das Krankenhaus weiter. Der gesamte mit der Befragung verbundene Zeitaufwand beläuft sich für den Arzt auf ca. 15 Minuten. Das von der Klinik gezahlte Honorar beträgt 400 Euro pro Patient. Das Entgelt fällt also höher aus als der Gegenwert der ärztlichen Leistung und enthält somit eine „verdeckte Zuweiserprämie“.

Beispiel: Verordnungsanreiz 

Die Teilnahme eines Arztes an Anwendungsbeobachtungen ist strafbar, wenn

  • die vorgesehene Vergütung den Arzt nicht nur für seinen zusätzlichen Aufwand entschädigt (vergleiche § 67 Arzneimittelgesetz),
  • sondern ihm für die bevorzugte Verordnung bestimmter Präparate und damit für eine unlautere Bevorzugung des Vorteilsgebers gewährt wird.

Beispiel: Beteiligungen 

Eine strafbare Verknüpfung zwischen Unternehmensbeteiligung und medizinischen Entscheidungen liegt in dem folgenden Fall vor (BGH, Urteil vom 13.01.2011, Az. I ZR 111/08): Der Arzt führt einem Unternehmen, an dem er beteiligt ist, Patienten zu. Dafür erhält er eine Gewinnbeteiligung, die unmittelbar von der Zahl seiner Verweisungen oder den damit erzielten Umsatz abhängt. Bei einer nur mittelbaren Beteiligung z. B. über eine Gewinnausschüttung kommt es darauf an, ob der Arzt durch seine Patientenzuführung den Ertrag aus seiner Beteiligung spürbar beeinflussen kann.

Dieselben Gesichtspunkte sind bei der Zuweisung von Untersuchungsmaterial zur Durchführung von Laboruntersuchungen zu beachten: Nach dem Berufsrecht müssen Ärzte allein nach ärztlichen Gesichtspunkten mit Blick auf das Patientenwohl entscheiden, an wen sie einen Patienten verweisen und wem sie Untersuchungsmaterial zur Laboruntersuchung überlassen (BGH, Urteil vom 21.04.2005, Az. I ZR 201/02; BGH, Urteil vom 23.02.2012, Az. I ZR 231/10).

Beispiel: Kongress-Einladungen 

Unproblematisch ist die Einladung zu einem Referat für die Veranstaltung eines Pharmaunternehmens in einem üblichen Kongresszentrum in Deutschland, wenn der Experte in seinem Tätigkeitsbereich keine Berührungspunkte zu Produkten des Unternehmens hat.

Merke!

§ 27 Abs. 3 Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ärzte) regelt das Verbot, Werbevorträge zu halten. Fachvorträge sind erlaubt, wenn sie neutral gehalten sind und zum Beispiel über aktuelle medizinische Entwicklungen informieren.

 

Allerdings kann selbst die Referententätigkeit zu angemessenen Konditionen strafbar sein, wenn sie als Gegenleistung für eine intendierte unlautere Bevorzugung erfolgt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.11.2016, Az. 5 SaGa 5/15). Gleiches gilt für die Referententätigkeit eines Radiologen in Übersee auf Einladung durch den Hersteller eines CT Scanners, mit Segeltörn und Abendessen mit Begleitung in Gourmet-Restaurants (vgl. Hanseatisches OLG, Beschluss vom 11.07.2000, Az. 2 Ws 129/00).

Empfehlungen für die Praxis 

Politisch erwünschte und gesetzgeberisch verbotene Formen der Zusammenarbeit mit Heilberuflern lassen sich oft nicht klar voneinander abgrenzen. Deshalb sollten Ärzte stets vier Grundprinzipien beachten:

  • 1. Nach dem Dokumentationsprinzip sind sämtliche Leistungen beider Kooperationspartner vor Beginn der Zusammenarbeit in einem schriftlichen Vertrag niederzulegen.
  • 2. Nach dem Transparenzprinzip ist die Vereinbarung unter Einbeziehung des Dienstherrn bzw. des Arbeitgebers des Fachkreisangehörigen zu schließen. Im niedergelassenen Bereich sind die Verträge nach §§ 24, 33 MBO-Ä der zuständigen Ärztekammer vorzulegen.
  • 3. Nach dem Trennungsprinzip dürfen Leistungen der Industrie an Fachkreisangehörige nicht in Abhängigkeit von Umsatzgeschäften, Beschaffungs-, Verordnungs- oder Therapieentscheidungen gewährt werden.
  • 4. Nach dem Äquivalenzprinzip muss das Verhältnis von Leistung und Vergütung angemessen sein. Dazu ist der Umfang der zu erbringenden Leistungen detailliert darzustellen. Für die Vergütungshöhe empfiehlt sich die Anlehnung an Gebührenziffern der GOÄ für vergleichbare Leistungen wie z. B. schriftliche Gutachten.

Quellen

  • RA, FA für ArbeitsR und MedizinR Dr. Tilmann Clausen, Hannover; RA, FA für MedizinR Christian Heß, Köln; RA, FA für MedizinR Alexander Maur, Köln

Weiterführender Hinweis