Nachbehandelnder Radiologe muss sich bei einer ihm unbekannten OP-Methode erkundigen

von RA und FA für MedizinR Dr. Rainer Hellweg, Hannover

Ist dem mit einer postoperativen MRT-Befundung betrauten Radiologen das genaue Operationsverfahren nicht bekannt, hat er sich im Zweifel bei dem operierenden Krankenhaus zu erkundigen. Dies zumindest dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich hieraus Rückschlüsse für die Befundung ziehen lassen (Oberlandesgericht [OLG] Dresden, Urteil vom 29.08.2017, Az. 4 U 401/17 ).

Der Fall

Bei der Patientin wurde eine Rotatorenmanschettenruptur mit einem Swift-Lock-Anker operiert. Postoperativ kam es zu einer Dislokation. Die Patientin verklagte daraufhin die Klinik, in der die Operation durchgeführt worden war, auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld. Sie richtete ihr Vorbringen im Prozess jedoch auch gegen den im Rahmen der Nachbehandlung eingebundenen Radiologen.

Die Patientin drang mit ihrer Klage gegen das Klinikum nicht durch. Das OLG Dresden sah einen Behandlungsfehler und damit einen Haftungstatbestand nach der Schulteroperation trotz fehlender Röntgenkontrolle und lückenhaften Arztbriefes zwar nicht bei den Klinikärzten, wohl aber bei dem Radiologen.

Die Entscheidungsgründe

Die Begründung der Richter lautete: Dass die spätere Dislokation noch während des stationären Aufenthaltes in der Klinik aufgetreten sei, habe man nicht nachweisen können. Dagegen spreche, dass der Arm der Patientin unmittelbar postoperativ in einem Ultra-Sling Verband fixiert worden sei. Dies mindere die Gefahr einer sekundären Dislokation erheblich. Somit ging das Gericht eher davon aus, dass es zu der Dislokation erst im Rahmen der ambulanten Nachbehandlung kam.

Als schadenverursachend sah das OLG die fehlerhafte Befundung des MRT durch den Radiologen an. Das MRT wurde rund sechs Monate nach Entlassung der Patientin aus der Klinik durchgeführt. Der Radiologe habe dabei verkannt, dass die Operation unter Verwendung von Ankern vorgenommen worden sei – so das Gericht unter Bezugnahme auf das im Prozess eingeholte Sachverständigengutachten.

Gericht konstatiert Erkundigungspflicht für den Radiologen

Aus dem Arztbrief, der dem Radiologen vorlag, sei zwar nicht erkennbar gewesen, dass bei der Operation Anker zum Einsatz gekommen waren. Gleichwohl attestierte das Gericht dem Radiologen einen Kunstfehler: Dieser sei verpflichtet gewesen, sich bei Unklarheiten über den Operationsverlauf

  • entweder die für die MRT-Befundung erforderlichen Kenntnisse durch Rückfrage bei den Klinikärzten zu verschaffen oder
  • nach dem Grundsatz des sichersten Weges von sich aus eine Operation unter Verwendung von Ankern als Ursache für die Beschwerden in Erwägung zu ziehen.

Da beides unterblieb, beurteilte das OLG das Verhalten des Radiologen als pflichtwidrig.

Haftungsträchtige Schnittstelle

Gerade an der Schnittstelle zwischen Klinik und ambulanter Nachbehandlung kommt es immer wieder zu haftungsträchtigen Vorkommnissen. Häufig sind Kommunikationsfehler oder eine unterbliebene Rücksprache der Grund, wenn sich der eine auf den anderen verlässt. Dass fallabhängig auch eine Verpflichtung des Radiologen bestehen kann, von sich aus initiativ bei Vorbehandlern nachzufragen, zeigt der aktuelle vom OLG Dresden entschiedene Fall.

Der Radiologe musste hier tätig werden, obwohl es sich die Klinikärzte etwas „leicht gemacht“, in dem Arztbrief die verwendete OP-Methode nicht dokumentiert und die Patientin trotz anhaltender Beschwerden nach der OP nicht bildgebend untersucht hatten.

Nachfrage dokumentieren!

Es gilt der Rat: Im Zweifel lieber einmal zu viel nachfragen als einmal zu wenig! Seine Nachfrage und die Antwort des Vorbehandlers sollte der Radiologe in seiner Dokumentation zu Beweiszwecken kurz festhalten, um für den Fall eines späteren Haftungsprozesses bestmöglich gerüstet zu sein.