Klinik muss Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger Niedergelassenen überlassen

von RA und FA MedizniR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, www.christmann-law.de

Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ verbietet es Kliniken, eine Behandlung (Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger), die auch ambulant erbracht werden könnte, nachstationär durchzuführen und abzurechnen (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 13.09.2016, Az. L 4 KR 2220/15 ).

Der Fall 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung nachstationärer Krankenhausbehandlungen. Die Klägerin ist Trägerin der V-Kliniken, einem Plankrankenhaus. Sie ist zugleich Trägerin eines zur ambulanten Strahlentherapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), das in demselben Haus tätig ist.

Die V-Klinken behandelten mehrere Patienten mittels Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger (OPS 8-522.90) stationär. Nach Entlassung der Patienten wurden diese jeweils nachstationär aufgenommen und weiter in derselben Weise bestrahlt.

Die beklagte gesetzliche Krankenversicherung der Patienten verweigerte die Bezahlung der nachstationären Behandlungskosten. Die Patienten hätten kostengünstiger ambulant weiterbehandelt werden können. Die Beklagte verrechnete schließlich die Nachbehandlungskosten mit weiteren Gebührenansprüchen der Klägerin. Die Klägerin klagte erfolglos auf Rückzahlung des Honorars.

Die Entscheidung 

Denn nachstationäre Leistungen sind nicht medizinisch erforderlich, wenn dieselben Leistungen durch ein von dem Träger des Krankenhauses getragenes MVZ, in dem Ärzte des Krankenhauses angestellt sind, ausgeführt werden können. Denn die Vergütung der Fallpauschale setzt die Erforderlichkeit gerade einer nachstationären Behandlung im Einzelfall voraus.

Vor- und nachstationäre Behandlung ist nur in engem Zusammenhang mit vollstationärer Behandlung zulässig (§ 115a Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch [SGB] V). Diese ist gegenüber ambulanter Behandlung nachrangig (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB V).

Vor- und nachstationäre Behandlung ist nicht kostengünstig vertragsärztlich sicherzustellen (§ 72, § 72a, § 75 SGB V), sondern aufwendiger durch zugelassene Krankenhäuser (§ 107 bis § 109 SGB V) und zweiseitige (§ 112 SGB V) sowie dreiseitige Verträge (§ 113 SGB V).

Dementsprechend ist vor- und nachstationäre Behandlung nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Vergütung zu bezahlen. Der im Regelungssystem angelegte Vorrang der vertragsärztlichen vor der stationären, auch nachstationären Versorgung wurzelt in den Kostenvorteilen der vertragsärztlichen Versorgung, im Kern also im Wirtschaftlichkeitsgebot.

Folgen für die Praxis 

In deutschen Großstädten konkurriert eine Vielzahl von niedergelassenen Strahlenzentren und MVZ mit den radiologischen Kliniken. Das vorliegende Urteil verbietet es den Kliniken, Strahlenbehandlungen, die grundsätzlich auch ambulant durchgeführt werden können, nachstationär zu erbringen.

Lediglich wenn die konkrete Behandlung eine (nach-)stationäre Behandlung erforderlich macht, kann die Behandlung stationär erfolgen. Dies ist z. B. der Fall, wenn Patienten vor einer radiologischen Behandlung kontrolliert stationär vorbehandelt werden müssen.

Es ist hierbei wegen des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ zu beachten, dass die Kliniken im Streitfall nachweisen müssen, dass die (nach-)stationäre Behandlung erforderlich war. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass Klinik und klinikeigenes MVZ in demselben Haus sind, sondern auch dann, wenn sich an demselben Ort der Klinik niedergelassene Strahlenpraxen befinden, die die Behandlung durchführen können.