Haft ohne Bewährung wegen Abrechnungsbetrugs mit Röntgenkontrastmitteln

von RAin Dr. Eda Tekin, Kanzlei Krause & Kollegen, Berlin

Der ehemalige Geschäftsführer der inzwischen insolventen Hanserad Radiologie GmbH & Co. KGaa (Hanserad) und ein Apotheker sind wegen gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrugs in 26 Fällen zu Haftstrafen in Höhe von viereinhalb und fünf Jahren verurteilt worden (Landgericht [LG] Hamburg, Urteil vom 18.08.2016, Az. 618 KLs 6/15).

Strafkammer: Gewerbsmäßiger, jedoch kein bandenmäßiger Betrug 

Die Strafkammer sah es als erwiesen an, dass Hanserad in den Jahren 2011 und 2012 in großen, medizinisch nicht erforderlichen Mengen Röntgenkontrastmittel über den Arzneimittelgroßhandel des Apothekers bestellen ließ. Der Apotheker erhielt für die Großbestellungen einen Mengenrabatt, den er jedoch nicht den Krankenkassen anzeigte. Vielmehr rechnete er gegenüber den Krankenkassen die handelsüblichen Listenpreise der Röntgenkontrastmittel unter Vorlage der Verordnungen und seiner Rechnungen ab. Die so aus dem Mengenrabatt erzielten Gewinne teilte er sich mit Hanserad, wobei er eine Gewinnbeteiligung von 5 Prozent und die Hanserad von 95 Prozent hatte.

Die für einen Betrug erforderliche Täuschungshandlung sah das Gericht darin, dass der Apotheker mit der Abrechnung konkludent erklärt habe, die Abrechnung entspreche den sozialrechtlichen Vorgaben. Dies sei jedoch wegen der Beteiligung der Hanserad an dem Mengenrabatt nicht der Fall gewesen. Den Krankenkassen sei dadurch ein Schaden i. H. v. 8 Mio. Euro entstanden.

Die Strafkammer bejahte die Gewerbsmäßigkeit des Betrugs, verneinte jedoch eine bandenmäßige Tatbegehung (die mindestens drei Personen und eine sogenannte Bandenabrede voraussetzt) und sprach die Angeklagten von diesem Vorwurf frei.

Der „Drahtzieher“ entzog sich dem Strafprozess 

Der hauptangeklagte Radiologe wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Er gilt als „Kopf“ hinter dem Konstrukt und profitierte als Inhaber der Hanserad in größtem Umfang von den Gewinnen. Medienberichten zufolge hat er sich nach Dubai abgesetzt und praktiziert dort als Radiologe.

Revision angekündigt 

Die Kammer blieb mit ihrem Strafausspruch unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Haftstrafen von sieben und acht Jahren gefordert hatte. Die Verteidiger hatten Freisprüche beantragt. Der Apotheker und der ehemalige Geschäftsführer der Hanserad hätten nicht gewusst, dass sie etwas Verbotenes taten. Ein renommierter Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Medizinrecht habe die Konstruktion als zulässig erklärt. In der Urteilsbegründung wies die Kammer darauf hin, dass das Renommee eines Rechtsanwalts nicht mit der Befugnis einhergeht, eine rechtswidrige Konstruktion zu legalisieren.

Folgen für die Praxis 

Die schriftlichen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Der Verteidiger des Apothekers hat bereits Revision zum Bundesgerichtshof angekündigt. Insofern bleibt mit Spannung zu erwarten, ob die angekündigte Revision eingelegt und sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall beschäftigen wird.

Die Entscheidung zeigt aber, dass manipulative Erklärungen bei der Abrechnung im Gesundheitswesen mit hohen Haftstrafen sanktioniert werden können. Vor dem Hintergrund der zahlreichen und teilweise immer noch strittigen Fragen zum Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen, insbesondere zum Erklärungsgehalt von Abrechnungen gegenüber Krankenkassen und die Auswirkung sozialrechtlicher Bestimmungen auf den Straftatbestand des Betrugs, könnte dies eine Gelegenheit sein, durch eine höchstrichterliche Entscheidung zumindest einige Fragen zu klären.

Dass das Renommee und die Expertise eines Rechtsanwalts keine Befugnis beinhaltet, eine rechtswidrige Konstruktion zu legalisieren, trifft selbstverständlich zu. Bei Unsicherheiten im Hinblick auf die Zulässigkeit von bestimmten Verhaltensweisen wie beispielsweise Abrechnungen im Gesundheitswesen empfiehlt es sich jedoch gerade deswegen, im Zweifelsfall Rechtsrat einzuholen und den Sachverhalt – auch und gerade bevor es überhaupt zu einem Strafverfahren kommt – von einem entsprechend spezialisierten Anwalt gutachterlich überprüfen zu lassen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der im Juni 2016 in Kraft getretenen Vorschriften zur Korruption im Gesundheitswesen. So macht sich gemäß § 299a Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar, wer als Angehöriger eines Heilberufs einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung von Arzneimitteln einen Wettbewerber in unlauterer Weise bevorzugt. Die „Bezugsvariante“ nach § 299a Nr. 2 StGB bezweckt die Sanktionierung korruptiver Verhaltensweisen beim Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die ohne vorherige Verordnung unmittelbar am Patienten angewendet werden. Die „Zuführungsvariante“ nach § 299a Nr. 3 StGB soll korruptives Verhalten bei der Einwirkung auf Patienten mit dem Ziel erfassen, dessen Auswahl in Bezug auf einen Arzt oder anderen Leistungserbringer zu beeinflussen.

Weiterführende Hinweise

  • „Einkaufsvorteile beim Kontrastmittelbezug – Strafbarkeitsrisiken vermeiden“ in RWF Nr. 9/2016
  • „Der Bezug von Arznei-/Kontrastmitteln über die Krankenhausapotheke im ambulanten Bereich“ in RWF Nr. 8/2016
  • „Bezugsweg und Abrechnung von Kontrastmitteln in Niedersachsen“ unter rwf-online.de im Bereich „Downloads“