Die Abrechnung der IMRT über die Analogziffer 5855 GOÄ

von RAin Sophie A. Eickhoff, Hauer Nonnast Rath, www.hauer.online

In dem seit 1996 nicht mehr aktualisierten Gebührenverzeichnis des Abschnitts O IV GOÄ (Strahlentherapie) hat die moderne Intensitätmodulierte Strahlentherapie (IMRT) keine eigenständige Gebührenposition. Sie kann aber über die Nr. 5855 GOÄ analog abgerechnet werden. Dazu folgende Einzelheiten.

Die IMRT 

Die IMRT hat die herkömmliche 3-D-konformale Strahlentherapie mit dem Ziel weiterentwickelt, die Strahlendosis im Bereich des umgebenden Gewebes und der Nachbar-Organe zu verringern. Die IMRT erfordert eine engmaschige und präzise Überprüfung der Zielvolumina durch wiederholte Bildgebung und aufwendige Bestrahlungsberechnung. Der gerätetechnische Aufwand dieser Bestrahlungsart ist hoch und mit enormen Kosten verbunden.

Die Abrechnungsproblematik 

Ohne eigene GOÄ-Nr. ist die IMRT in der früheren Abrechnungspraxis durch die Kombination verschiedener Einzelleistungen abgerechnet worden. Dabei trat aber das Problem auf, dass die Analogziffer 5830 GOÄ nach der zu Multileaf-Kollimatoren (MLC) einmal pro Feld und Bestrahlungsserie angesetzt werden konnte. Durch die Modulation der Strahlenfelder wurden erhebliche Feldzahlen erreicht, was eine Abgrenzung nach dem Wortlaut der Abrechnungsempfehlung sowie eine nachvollziehbare Abrechnung erschwerte.

Deshalb gibt es seit 2011 eine Abrechnungsempfehlung der BÄK zur IMRT zur Abrechnung analog Nr. 5855 GOÄ.

Zur analogen Anwendung von Abrechnungsziffern 

Gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ können selbstständige ärztliche Leistungen, die nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung der GOÄ berechnet werden.

Dabei stellt die GOÄ also auf die Gleichwertigkeit und nicht auf die Gleichartigkeit der Leistung ab. Der Begriff der „gleichwertigen Leistung“ ist unbestimmt und kann mithilfe von Sachverständigengutachten soweit objektiv ausgelegt werden, dass sich die Frage der Gleichwertigkeit mit Sicherheit bestimmen lässt. So kann die BÄK zu einer bundeseinheitlichen Bewertung der Gleichwertigkeit neuer Leistungen mit bestehenden Gebührenordnungspositionen gelangen.

Die Gleichwertigkeit der IMRT mit der Nr. 5855 GOÄ 

Nach der Abrechnungsempfehlung der BÄK zur IMRT ist aus Transparenzgründen eine Komplexziffer 5855 analog gebildet worden. Danach kann die IMRT mit bildgeführter Überprüfung der Zielvolumina einschließlich aller Planungsschritte und individuell angepasster Ausblendung je Bestrahlungssitzung, also unabhängig von der Anzahl der klinischen Zielvolumina, analog über die Nr. 5855 GOÄ abgerechnet werden.

Der Gebührenrahmen bewegt sich jedoch nur zwischen 1,0 und 1,8. Denn die Komplexziffer berücksichtigt bereits den hohen gerätetechnischen Aufwand und die präzisen Vorausberechnungen zur Anpassung der Dosisverteilung an das Zielvolumen.

Medizinische Notwendigkeit der IMRT

Bei der IMRT handelt es sich mittlerweile um eine in der Ärzteschaft allgemein als wirksam anerkannte Methode zur Bestrahlung. Sie ist insbesondere dann medizinisch notwendig, wenn die Schonung des umliegenden Gewebes nicht anders erreicht werden kann.

Es gibt keinen Grundsatz, dass nur die kostengünstigere Behandlung notwendig ist. Denn die gesetzliche Regelung stellt auf die medizinische, nicht auf die wirtschaftliche Notwendigkeit ab. Allein aus der Tatsache, dass eine Behandlung in einer Leitlinie noch nicht aufgeführt ist, lässt sich nicht ableiten, dass diese Behandlung nicht medizinisch notwendig wäre.

 

Keine Mengenbegrenzung 

Nach einzelnen Krankenversicherungen ist die Nr. 5855 GOÄ höchstens fünfmal abrechnungsfähig. Begründet wird dies mit der Abrechnungsempfehlung der BÄK für die fraktionierte, stereotaktische Präzisionsbestrahlung mittels Linearbeschleuniger, nach der die Abrechnungsziffer höchstens fünfmal in sechs Monaten berechnungsfähig ist. Insofern wurden für andere Leistungen gültige Bestimmungen auf die IMRT umgelegt und diese Mengenbegrenzung postuliert.

Andere vertraten die Ansicht, dass die IMRT nach den Analogziffern für die fraktionierte stereotaktische Präzisionsbestrahlung nach Nrn. A 5865 und A 5866 GOÄ und deren Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl der abrechnungsfähigen Fraktionen zu vergüten sei.

Eine solche Mengenbegrenzung wurde von der BÄK jedoch absichtlich nicht für die IMRT beschlossen. Denn hier sind je nach Krankheitsbild zwischen 18 und 45 Bestrahlungsfraktionen erforderlich. Die Begrenzung auf eine fünfmalige Abrechnungsfähigkeit ist daher sachlich nicht gerechtfertigt.

Auch das Verwaltungsgericht Stuttgart hat bereits 2012 die Abrechnung der IMRT ohne Mengenbegrenzung aus systematischen Erwägungen befürwortet (Urteil vom 17.09.2012, Az. 12 K 1012/12): Die differenzierte Abrechnungsempfehlung der BÄK im Rahmen von insgesamt drei Abrechnungsempfehlungen mit unterschiedlichen Begrenzungen weise darauf hin, dass eine Einschränkung für bestimmte Leistungen nicht auch für andere Leistungen gelten sollte (ebenso, aber noch nicht rechtskräftig: Landgericht Stuttgart [LG], Urteil vom 02.08.2014, Az. 15 O 73/13; Urteil vom 02.12.2014, Az. 15 O 74/12; Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 14.06.2016, Az. 12 U 502/14; LG Saarbrücken, Urteil vom 06.02.2017, Az. 16 O 282/14).

Nach dem Berufsverband Deutscher Strahlentherapeuten (BVDST) soll die IMRT allerdings vorwiegend unter kurativer Zielsetzung verwendet werden. Deshalb dürften bei demselben Zielvolumen/denselben Zielvolumina innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten regelmäßig 40 Sitzungen nicht überschritten werden.

Fazit

Die Beschlüsse des Gebührenordnungsausschusses sind klar:

  • Für unterschiedliche Leistungen gibt es unterschiedliche Einschränkungen.
  • Einschränkungen für ganz bestimmte Leistungen sollen nicht auch für andere Leistungen gelten.

Der BVDST empfiehlt mit nachvollziehbarer Begründung eine Mengenbegrenzung weit über der fünfmaligen Abrechnung für die kurative IMRT, während die BÄK keinerlei Mengenbegrenzung fordert. Seit 2015 herrscht deshalb weitgehend Akzeptanz bei der IMRT-Abrechnung. Eine Ausnahme hiervon machen nur einzelne Versicherer. Der Radiologe sollte bereits bei seiner Behandlungsdokumentation einen Schwerpunkt auf die medizinische Notwendigkeit der Bestrahlung mittels IMRT legen.