Der Ärztliche Leiter im MZV: Aufgaben und Haftungsgefahren

von Fachanwälten für Medizinrecht Dr. Deniz Cansun-Labenski und Rainer Hellweg, Seesen und Hannover, www.armedis.de

Seit vielen Jahren steigt die Anzahl von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) – und damit auch die der Ärztlichen Leiter von MVZ. Die Bedeutung dieser Position sowie die damit verbundenen Rechte und Pflichten sind erheblich. Um diese geht es in diesem Beitrag – und um spezielle Haftungsgefahren für Ärztliche Leiter.

Was bedeutet ärztliche Leitung im MVZ? 

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist der Ärztliche Leiter in einem MVZ derjenige, der in erster Linie für die Einhaltung der ordnungsgemäßen Behandlungsabläufe zuständig ist. Dabei ist die ärztliche Leitung eines MVZ aber nicht gleichzusetzen mit der persönlichen Leitung einer Arztpraxis. Hier muss der Praxisinhaber den Versorgungsauftrag im notwendigen Umfang persönlich erfüllen. Im Falle einer Arztpraxis trägt also der Praxisinhaber für die in der Praxis beschäftigten Mitarbeiter und angestellten Ärzte im Hinblick auf deren medizinisches Tätigwerden die volle Verantwortung.

Beim MVZ hingegen gilt: Entscheidend ist, dass für die Leitung des MVZ als Ganzem allein Ärzte für die fachlich-medizinischen Aufgaben zuständig sind. Die Aufgabe des Ärztlichen Leiters bezieht sich dabei auf die ärztliche Steuerung der Organisation der gesamten Betriebsabläufe in fachlich-medizinischer Hinsicht. Eine ärztliche Behandlungstätigkeit und eine Verantwortung für jede therapeutische oder diagnostische Maßnahme im konkreten Behandlungsfall hierfür sind damit zunächst einmal nicht verbunden.

Was die Organisation- und Versorgungsstrukturen des MVZ angeht, muss der Ärztliche Leiter tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die dortigen Abläufe haben. Damit soll sichergestellt werden, dass ärztliche Entscheidungen unabhängig von medizinisch sachfremden Erwägungen getroffen werden können. Darüber hinaus hat der Ärztliche Leiter die nachgeordneten Ärzte vor der Einflussnahme nicht ärztlicher Dritter bei der Behandlungstätigkeit nach Möglichkeit zu schützen.

Die Ärztliche Leitung eines MVZ muss nicht notwendig durch eine einzelne Person erfolgen. Möglich ist auch, dass sich zwei Ärztliche Leiter die Aufgaben teilen, etwa mit Blick auf gegebenenfalls bestehende unterschiedliche Fachgebiete in dem MVZ. Auch eine Zusammenarbeit von zwei Ärztlichen Leitern im Rahmen einer festen Stellvertretung ist denkbar.

Welche konkreten Pflichten hat der Ärztliche Leiter? 

Sicherstellen muss der Ärztliche Leiter eines MVZ den ordnungsgemäßen ärztlichen Behandlungsablauf, den organisatorischen Einsatz der Ärzte sowie die Einhaltung und Überprüfung der vertragsärztlichen Pflichten auch der angestellten Ärzte. Der letztgenannte Punkt betrifft insbesondere folgende vertragsarztrechtlichen Verpflichtungen:

Vertragsärztliche Pflichten von Ärztlichen MVZ-Leitern

Die sachlich und rechnerische Abrechnung – dokumentiert durch die Unterschrift des Ärztlichen Leiters

Einhaltung der Teilnahme des MVZ am Notdienst und Einteilung der Ärzte hierfür

Prüfung, ob die im MVZ angestellten Ärzten ihren vertragsärztlichen Verpflichtungen nachkommen und ob die Abrechnungsgenehmigungen für die von den angestellten Ärzten erbrachten Leistungen vorliegen

Vertretung von abwesenden Ärzten gemäß den rechtlichen Bedingungen

Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei der ärztlichen Behandlung einschließlich der Verordnung von Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln sowie Sprechstundenbedarf

Einhaltung von Qualitätssicherungs-, Hygiene- und weiteren Vorschriften

Sicherstellung der Nichteinflussnahme Dritter in die ärztliche Behandlung

 

Disziplinarmaßnahmen im vertragsärztlichen Bereich? 

Die besondere Pflichtenstellung des Ärztlichen Leiters wirft die Frage auf, inwiefern er haftbar gemacht werden kann, wenn andere im MVZ tätige angestellte oder Vertragsärzte Fehler machen. Für mögliche Disziplinarmaßnahmen seitens der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hat das Bundessozialgericht klargestellt: Disziplinarmaßnahmen können die im MZV tätigen Vertragsärzte oder angestellten Ärzte treffen, die Mitglied der KV sind, soweit sie einen vollen oder hälftigen Versorgungsauftrag wahrnehmen. Erst wenn ein solcher personenbezogener Durchgriff im konkreten Fall nicht möglich ist, kann ein Fehlverhalten auch dem MVZ als solchem zugerechnet werden.

Die Möglichkeit einer disziplinarischen Ahndung bei einer Pflichtverletzung im Verantwortungsbereich des Ärztlichen Leiters gegenüber diesem besteht aber auch nur, wenn dieser selbst Mitglied der KV ist. Der Ärztliche Leiter hat dabei grundsätzlich nur für seine persönlichen Leistungen einzustehen. Eine Haftbarkeit kommt allerdings auch dann in Betracht, wenn ein Fehlverhalten von angestellten Fachärzten vorliegt, die keine Mitglieder der KV sind, was zum Beispiel im Falle einer Anstellung mit bis zu 10 Stunden (Faktor 0,25) gegeben sein kann. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V muss der Ärztliche Leiter in einem MVZ selbst als angestellter Arzt oder Vertragsarzt tätig sein.

Haftungsgefahren für den Ärztlichen Leiter 

Ihn trifft zwar keine fachliche Verantwortung für jede einzelne Behandlungsmaßnahme im MVZ. Korrespondierend zu seiner oben beschriebenen Pflichtenstellung gilt jedoch auch, dass der Ärztliche Leiter für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und Einhaltung der vertragsärztlichen Vorgaben verantwortlich ist und im Rahmen dieser organisatorischen Gesamtverantwortung von der KV haftbar gemacht werden kann.

Hierbei ist auch zu beachten, was der Anstellungsvertrag des Ärztlichen Leiters regelt. Dabei könnte das „Rechtsinstitut des faktischen Geschäftsführers“ zum Tragen kommen, sodass der Ärztliche Leiter dann nicht nur für die ärztlichen Belange, sondern auch für alle weiteren organisatorischen und verwaltungsrechtlichen Belange haftbar wäre.

Zivilrechtliche Haftung: Was gilt bei Haftungsklagen von Patienten? 

Der Behandlungsvertrag kommt zwischen den Patienten und dem Träger des MVZ zustande. Etwaiges Fehlverhalten sowohl des Ärztlichen Leiters als auch von im MZV tätigen angestellten Ärzten oder Vertragsärzten würde in diesem Zusammenhang zugerechnet. Somit kann der Patient die Haftungsklage gestützt auf vertragliche Haftung in jedem Fall gegenüber dem MVZ-Träger erheben.

Praxishinweis

Aber Achtung: Die im MVZ tätigen Ärzte – auch der Ärztliche Leiter – können vom Patienten auch aus deliktischer Haftung in Anspruch genommen werden. Hier würde sich der Haftungsvorwurf gegen denjenigen Arzt richten, der den behaupteten Behandlungsfehler begangen hat.

 

Haftungsgrund Organisationsverschulden 

Als Organisationsverantwortlicher kann der Ärztliche Leiter des MVZ haftungsrechtlich besonders im Fokus stehen. Wenn der Behandlungsfehlervorwurf von Patientenseite etwa darauf gestützt wird, dass organisatorische Abläufe, die Einteilung der im MVZ tätigen Ärzte oder die Abgrenzung von deren Verantwortungsbereichen nicht funktioniert haben, wäre der Ärztliche Leiter ein möglicher Klagegegner.