Der Bezug von Arznei-/Kontrastmitteln über die Krankenhausapotheke im ambulanten Bereich

von RAin, FAin für MedizinR Dr. Constanze Püschel, Dierks+Bohle Rechtanwälte Partnerschaft mbB, Berlin, www.db-law.de

Die KV Niedersachsen hat im Rahmen der Vereinbarung über die Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB-V) zum 1. Januar 2016 eine Änderung hinsichtlich der Abrechnung von Kontrastmitteln beschlossen. Gemäß dieser Änderung können Radiologen, Nuklearmediziner und Urologen – sowie die mit diesen Fachgruppen in Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzte anderer Fachrichtungen – Kontrastmittel nicht mehr als Sprechstundenbedarf verordnen bzw. beziehen. Die genannten Ärzte haben die Kontrastmittel seit dem 1. Januar 2016 im Rahmen der neu geschaffenen Sachkostenregelungen zu fest vereinbarten, pauschalen Preisen abzurechnen.

In einigen Krankenhäusern kam vor diesem Hintergrund die Frage auf, ob Kontrastmittel zukünftig sowohl für stationäre Patienten als auch für ambulante – bspw. von einem ermächtigten Radiologen versorgte – Patienten über die Krankenhausapotheke bezogen werden können.

Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Befugnis der Krankenhausapotheken zur Abgabe von Arzneimitteln für bzw. an ambulante Patienten und legt in einem online verfügbaren Teil die Bezugsmöglichkeiten von Kontrastmitteln in unterschiedlichen Versorgungskonstellationen in Niedersachsen dar.

I. Krankenhausversorgung versus Versorgung der Bevölkerung 

Gemäß § 26 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sollen Krankenhausapotheken die ordnungsgemäße Versorgung von Krankenhäusern mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sicherstellen. Dementsprechend bestimmt § 14 Abs. 7 S. 2 Teilsatz 1 Apothekengesetz (ApoG), dass Krankenhausapotheken Arzneimittel an einzelne Stationen und andere Teileinheiten des Krankenhauses zur Versorgung der Patienten, die im Krankenhaus voll-, teil-, vor- oder nachstationär behandelt oder ambulant operiert werden, abgeben dürfen.

Die Arzneimittelversorgung von Patienten in ambulanter/vertragsärztlicher Behandlung ist hingegen grundsätzlich den öffentlichen Apotheken vorbehalten. Insoweit greift der in § 1 Abs. 1 ApoG formulierte Auftrag an die öffentlichen Apotheken, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. In abschließend gesetzlich definierten Fällen darf jedoch auch die Krankenhausapotheke für ambulant im Krankenhaus versorgte Patienten Arzneimittel liefern. § 14 Abs. 7 S. 2 Teilsatz 2 ApoG sieht vor, dass Arzneimittel von der Krankenhausapotheke ferner abgegeben werden dürfen

  • „zur unmittelbaren Anwendung bei Patienten an ermächtigte Ambulanzen des Krankenhauses, insbesondere an Hochschulambulanzen (§ 117 SGB V), psychiatrische Institutsambulanzen (§ 118 SGB V), sozialpädiatrische Zentren (§ 119 SGB V) und ermächtigte Krankenhausärzte (§ 116 SGB V) sowie an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus, wenn das Krankenhaus hierzu ermächtigt (§ 116a SGB V) oder berechtigt (§§ 116b und 140b Abs. 4 Satz 3 SGB V) ist“.

Die zitierte Regelung beinhaltet keine grundsätzliche Öffnung des ambulanten Bereichs für die Versorgung von Patienten aus der Krankenhausapotheke. Wäre dem anders, führte das zu einem vom Gesetzgeber nicht intendierten ungleichen Wettbewerb zwischen den inhabergeführten öffentlichen Apotheken und den Krankenhausapotheken, die keine selbständigen Wirtschaftssubjekte, sondern (lediglich) Teileinheiten der Krankenhäuser sind. Dementsprechend darf die Abgabe von Arzneimitteln durch Krankenhausapotheken an bzw. für ambulant versorgte Patienten nur in den gesetzlich geregelten, eng auszulegenden Einzelfällen erfolgen.

II. Abgabebefugnis der Krankenhausapotheke nach § 14 ApoG 

Ob ein geregelter Fall des § 14 Abs. 7 S. 2 Teilsatz 2 ApoG vorliegt, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Allen dort geregelten Berechtigungen ist gemein, dass eine Abgabe von Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke nur erfolgen darf, wenn die Arzneimittel für die unmittelbare Behandlung des Patienten im Krankenhaus durch einen (bspw. ermächtigten) Arzt des Krankenhauses im Rahmen einer ambulant erbrachten Leistung verwendet werden.

Dieser Grundsatz wird vor allem in den Fällen relevant, in denen es zu einer engen Zusammenarbeit von Vertrags- und Krankenhausärzten an unterschiedlichen Standorten kommt. § 14 Abs. 7 S. 2 Teilsatz 2 ApoG ist im Zuge der Schaffung der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) in § 116b SGB V zum 1. Januar 2012 bzw. dessen Änderung zum 23. Juli 2015 nicht überarbeitet worden, sodass sich der in § 14 Abs. 7 S. 2 Teilsatz 2 ApoG vorgenommene Bezug zur Berechtigung des Krankenhauses nach § 116b SGB V historisch zunächst einmal auf die ambulante Versorgung im Krankenhaus nach § 116b SGB V in der Fassung bis zum 31. Dezember 2011 bezieht. Da die Krankenhäuser auf der Grundlage entsprechender Bestimmungen gem. § 116b SGB V a. F. nach wie vor tätig sind, steht fest, dass die Krankenhausapotheke insoweit Arzneimittel an im Krankenhaus versorgte ambulante Patienten abgeben darf. Laufen die nach altem § 116b SGB V erteilten und derzeit noch fortwirkenden Bestimmungen für die Krankenhäuser aus, wie es für die gastrointestinalen Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle Mitte 2017 konkret der Fall sein wird, stellt sich die Frage nach der Lieferberechtigung der Krankenhausapotheke neu.

Im Zusammenhang mit der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) wird man – dem Grundsatz der engen Auslegung der Ausnahmen nach § 14 Abs. 7 S. 2 2 Teilsatz 2 ApoG folgend – festhalten müssen, dass eine Abgabebefugnis der Krankenhausapotheke nur besteht, wenn der Patient im Krankenhaus durch ein krankenhauseigenes ASV-Teammitglied versorgt wird. Erfolgt die Behandlung hingegen in der Praxis eines Vertragsarztes als ASV-Teammitglied, ist ein Arzneimittelbezug über die Krankenhausapotheke vom Wortlaut des § 14 Abs. 7 S. 2 Teilsatz 2 ApoG nicht gedeckt, selbst wenn der Vertragsarzt Räume auf dem Gelände des Krankenhauses nutzt. Der Arzneimittelbezug muss in diesen Fällen über die öffentlichen Apotheken entsprechend den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Normen erfolgen. Angesicht der Tatsache, dass bis Ende 2015 bundesweit nur ca. 400 Patienten (Angabe: KV Schleswig-Holstein) insgesamt in der jetzt bestehenden ASV behandelt worden sind, ist die Versorgung dieser Patienten zwischen Krankenhausapotheken und öffentlichen Apotheken noch nicht zu einem wesentlichen Streitpunkt geworden. Sollte die ASV 2016 und in den Folgejahren Fahrt aufnehmen, kann sich das schnell ändern.

Zu beachten ist zudem, dass eine Krankenhausapotheke Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Krankenkassen gemäß § 129a S. 3 SGB V nur abgeben darf, wenn eine entsprechende Vereinbarung nach § 129a S. 1 SGB V zwischen den Krankenkassen/Kassenverbänden und dem Träger des jeweiligen Krankenhauses geschlossen wurde. Fehlt eine solche Vereinbarung, können die Krankenhäuser die über die Krankenhausapotheke abgegebenen Arzneimittel an ambulant versorgte Patienten nicht gegenüber den Krankenkassen abrechnen. Hintergrund für die Notwendigkeit des die Abrechnungspreise regelnden Vertrages nach § 129a SGB V ist die generell fehlende Preisbindung der Krankenhausapotheke gem. § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Arzneimittelpreisverordnung.

Folglich dürfen Krankenhausapotheken Arzneimittel für die ambulante Versorgung von Patienten zulasten der gesetzlichen Krankenkassen nur abgegeben, wenn

  • die Behandlung im Rahmen eines in § 14 Abs. 7 S. 2 Teilsatz 2 ApoG genannten Ausnahmetatbestands erfolgt,
  • das Arzneimittel für die unmittelbare Anwendung am Patienten im Krankenhaus durch einen Arzt des Krankenhauses verwendet wird
  • und eine Vereinbarung gemäß § 129a SGB V besteht.

III. Keine anderen Abgabebefugnisse der Krankenhausapotheke? 

Wie schon festgehalten, besteht außerhalb des § 14 Abs. 7 S. 2 Teilsatz 2 ApoG – und den weiteren hier nicht näher vertieften Ausnahmen nach §§ 14 Abs. 7 S. 3-5, Abs. 9 ApoG – keine Abgabebefugnis der Krankenhausapotheke im ambulanten Bereich. So gelten für die mittlerweile von den Krankenhausträgern betriebenen mehr als 840 MVZ (so die KBV für 2014) die allgemeinen Regeln der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, sodass Arzneimittel – auch jene, die unmittelbar von Ärzten im MVZ an Patienten angewendet werden – über öffentliche Apotheken abzugeben sind.

Gleiches gilt bei der ambulanten Behandlung von Patienten durch Vertragsärzte, die einzelne Leistungen aufgrund kooperationsrechtlicher Verträge für die Patienten in den Räumen eines Krankenhauses erbringen. Bei diesen Leistungen handelt es sich um Leistungen des Vertragsarztes, auch wenn sich dieser zur Erfüllung seiner Leistungspflicht der Hilfe und Mittel des Krankenhauses bedient. Die Krankenhausapotheke kann insoweit grundsätzlich nicht in Anspruch genommen werden.

Zur erlaubten Reichweite des die Kooperation in der onkologischen Versorgung regelnden § 11 Abs. 3 ApoG zwischen einer öffentlichen Apotheke und einer Krankenhausapotheke sei auf eine Entscheidung des SG Marburg vom 10. September 2014 (Az: S 6 KR 84/14) hingewiesen. Das SG Marburg führte unter Hinweis auf die beschränkten Befugnisse der Krankenhausapotheke im ambulanten Bereich konkret aus:

  • „ … Der Gesetzesbegründung nach sollte mit dieser Regelung [gemeint ist § 11 Abs. 3 ApoG] lediglich eine Vorkehrung getroffen werden für den Fall, dass eine öffentliche Apotheke (aufgrund des Abgabezwangs) eine solche Rezeptur herstellen muss, ohne über die dafür notwendigen besonderen personellen, räumlichen und apparativen Ausstattungen zu verfügen“. Gedacht war somit an den Einzelfall, nicht daran, Krankenhausapotheken, die wegen § 14 Abs. 7 ApoG grundsätzlich auf die Versorgung im stationären Bereich beschränkt sind, über diese Vorschrift die Versorgung im ambulanten Bereich zu eröffnen, indem sie im Lohnauftrag fortlaufend eine zur Herstellung solcher Zubereitungen gerade nicht befähigte Apotheke mit diesen Zubereitungen beliefern, die öffentliche Apotheke mithin nur dazu dient, der Krankenhausapotheke den Zugang zum Arzneimittelmarkt im ambulanten Segment zu ermöglichen.“

DOWNLOAD | Ein extra Beitrag unter rwf-online.de im Bereich „Downloads“ beleuchtet die Folgen der neuen Sachkostenregelung für die Hauptanwender, was Bezugsweg und Abrechnung von Kontrastmitteln in Niedersachsen betrifft.