Angestellter wirft Klinik öffentlich „Bossing“ und „Mobbing“ vor – Kündigung rechtens

von RA Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

Berechtigte Kritik am Arbeitgeber kann helfen, Missstände zu beheben bzw. die Einrichtung weiterzuentwickeln. In einem aktuellen Fall ging ein Angestellter einer Klinik jedoch zu weit: Er scheiterte mit seiner Kündigungsschutzklage, weil er die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten hatte (Landesarbeitsgericht [LAG] Thüringen, Urteil vom 19.04.2023, Az. 4 Sa 269/22 ).

Angestellter erhält Kündigung wegen öffentlicher Kritik ...

Der Kläger, Mitarbeiter eines therapeutischen Teams in einer Fachklinik, wehrte sich gegen seine Kündigung. Der Klinikträger warf ihm u. a. vor, dass er für einen Verstorbenen im Internet eine Gedenkseite eingerichtet hatte. Dort hatte er geschrieben: „A… durfte nach einem ungleichen Kampf, den er nicht gewinnen konnte, friedlich einschlafen, den er den B… Fachkliniken C… mit seiner Oberärztin D… mit zu verdanken hatte, die ein fachärztliches Konsil über Monate hinweg hinauszögerte.“ Weiter hatte der Kläger seinem Arbeitgeber einen Brief geschickt, auf dessen Umschlag als Empfänger angegeben war „B… Fachklinik für Bossing & Mobbing inkl. Verleumdungen und Datenschutzverletzungen“, gefolgt von der Postanschrift. Auch hatte er dem Klinikträger öffentlich vorgeworfen, dass zum Tode führende falsche ärztliche Behandlungen und Datenschutzverletzungen stattgefunden hätten. Er hatte behauptet, dass Verhaltensweisen des beklagten Klinikträgers zu Hungerstreiks von Untergebrachten geführt hätten. Daraufhin hatte der Klinikträger dem Angestellten gekündigt.

... und scheitert mit seiner Kündigungsschutzklage!

Das LAG Thüringen sah die Kündigung als berechtigt an. Die Richter verwiesen zunächst darauf, dass dem Arbeitnehmer zwar das Grundrecht der Meinungsfreiheit zur Seite stehe. Hinweis: Auch Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und erkennen lassen, dass sie durch Elemente einer Stellungnahme geprägt sind, fallen grundsätzlich unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit.

Die Meinungsfreiheit des Klägers gelte jedoch nicht schrankenlos. Dieser müsse auch seine Pflicht zur vertraglichen Rücksichtnahme auf die Rechte des Arbeitgebers berücksichtigen (§ 241 Bürgerliches Gesetzbuch). Im vorliegenden Fall habe der Kläger die Grenzen der freien Meinungsäußerung überschritten, sodass die Kündigung wirksam war. Dies gelte auch im Hinblick auf die Meinungsfreiheit, gewährleistet durch Art. 10 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 16.02.2021, Az. 23922/19) sei jemand, der als „Whistleblower“ auf Missstände bei seinem Arbeitgeber aufmerksam machen will, verpflichtet, die Tatsachen, die er öffentlich machen will, zuerst einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, bevor er damit an die Öffentlichkeit gehe.

Schmähkritik ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt

Das Gericht stufte die Kritik des Angestellten an seinem Arbeitgeber als Schmähkritik ein. Schmähungen sind Äußerungen, bei denen jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Das LAG Thüringen schloss sich hier der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) an, wonach Schmähkritik nicht durch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz geschützt ist (Urteil vom 05.12.2019, Az. 2 AZR 240/19). Was Schmähkritik ist und was nicht, hängt stets vom Einzelfall ab.

Wer Missstände kritisiert, muss seine Kritik auch beweisen

Das Gericht wies darauf hin, dass der Arbeitgeber zwar für den Kündigungsgrund voll beweispflichtig sei. Den Arbeitnehmer, der die Kritik vor Erhalt der Kündigung ausgesprochen habe, treffe jedoch eine sekundäre Darlegungslast: Er müsse vortragen, was er konkret unternommen habe, um den Wahrheitsgehalt seiner Äußerungen zu überprüfen. Das habe der Kläger im hiesigen Fall nicht getan. Schwer wiege auch, dass er vor allem diffamierende Schlagworte wie „Bossing“ und „Mobbing“ benutzt hatte. Dadurch habe er es dem Arbeitgeber unmöglich gemacht, seine Behauptungen zu überprüfen. Das Gericht sah als Motivation des Klägers, dass es ihm in erster Linie darum gehe, seinen Arbeitgeber zu diffamieren und bloßzustellen.